Psychologie des Überzeugens

Roland Gruber, Ulrich Grannemann – In seinem Bestseller „Die Psychologie des Überzeugens“ beschäftigt sich Robert B. Cialdini – der zunächst in den Bereichen Verkauf, Fundraising und Werbung praktische Erfahrungen sammelte und heute Professor für Sozialpsychologie ist – mit Theorie und Praxis des Überzeugens.

Die Waffen der Einflussnahme:

Der Compliance-Prozess:

Fixe Handlungsmuster als mechanische Verhaltenssequenzen bewirken, dass Verhaltensmuster automatisch durch ein einziges Merkmal der in der Situation vorhandenen relevanten Informationen ausgelöst werden können. Die Konzentration auf dieses Auslösemerkmal ermöglicht dem Individuum eine schnelle Entscheidung für die richtige Handlung. Der Nachteil einer solchen Reaktion ist, dass der Organismus durch Vernachlässigung anderer Informationen zu Fehlentscheidungen neigt. Diese Gefahr kann noch vergrößert werden, indem andere Individuen versuchen, die Auslösemerkmale in der Art zu manipulieren, dass das Individuum dazu geneigt ist, eine Entscheidung in ihrem Sinne zu treffen. In unserer Kultur sind eine Reihe von Auslösemerkmalen verankert, die uns dazu bewegen, ein bestimmtes Verhalten auszuführen, z.B. „wenn etwas teuer ist, muss es auch gut sein“. Eine Person dazu zu bringen, zu tun, was eine andere will. bezeichnet man als „compliance“.

Wenn Gesetze der Wahrnehmung manipuliert werden, können sie als Waffen der Beeinflussung eingesetzt und missbraucht werden.


Waffe 1: Reziprozität

Der kulturelle Hintergrund für compliance:

Die Reziprozitätsregel ist eine in unserer Kultur weit verbreitete Verhaltensweise, die besagt, dass Menschen sich für das, was sie erhalten haben auch revanchieren wollen. Für die Psychologie des Überzeugens ist sie insofern von Bedeutung, als sie die Voraussetzung dafür schafft, dass der Empfänger einer Leistung sich zur Gegenleistung verpflichtet fühlt und Schuldgefühle ausgelöst werden, wenn er diese nicht erfüllt.

In einer Studie wurde festgestellt, dass die Trinkgelder der Gäste deutlich höher wurden, wenn der Kellner zur Rechnung noch eine kleine Süßigkeit dazu gelegt hatte. Oder an der Käsetheke: „wollen Sie diesen Käse mal probieren?“ Oder: was bedeutet es für den weiteren Verlauf des Abends, wenn die junge Frau erlaubt, dass der Mann das teure Abendessen bezahlt? oder: der Kaffee, den Sie einem Kollegen oder Mitarbeiter unaufgefordert mitbringen?

Möglichkeiten der Beeinflussung:

Die Regel kann zum Beispiel dadurch zur Manipulation einer Entscheidung missbraucht werden, dass vor der Bitte um eine Gegenleistung etwas gegeben wird. Der Empfänger empfindet Schuldgefühle und fühlt sich automatisch dazu verpflichtet, die empfundene Schuld zu begleichen.
Die Wirksamkeit der Regel beruht auf drei Merkmalen:

  1. Effektivität, so dass alle anderen Merkmale ausgeschaltet werden
  2. Die Möglichkeit, selber zu bestimmen wem man etwas schuldig sein will und wem nicht, wird eingeschränkt.
  3. Ungleiche Gefälligkeiten werden gemacht, weil Schuldgefühle kompensiert werden müssen.

Eine andere Möglichkeit der Manipulation durch die Reziprozitätsregel ist es, durch Zugeständnisse an eine Person von dieser ebenfalls Zugeständnisse zu erlangen. Es handelt sich hierbei meist um eine Extremforderung, die der eigentlichen Forderung vorgeschoben und mit Sicherheit abgelehnt wird, ein durchaus übliches Vorgehen z.B. in Tarifverhandlungen. Die wesentlich mildere und eigentlich beabsichtigte Forderung erscheint danach als günstiges Zugeständnis und wird mit hoher Wahrscheinlichkeit angenommen. Gute Verkäufer zeigen dem Kunden zuerst das teuerste Modell und verkaufen ihm dann ein billigeres (Kontrastmethode). Zuerst das Billige anzubieten bringt deutlich schlechtere Umsätze.

Eine Möglichkeit der Abwehr:

Statt der systematischen Verweigerung der Annahme von Angeboten, sollte man versuchen, diese für sich selber als „Trick“ umzudefinieren, um nicht länger Schuldgefühle zu verspüren.

Wenn kulturell verankerte Normen manipuliert werden, können sie als Waffen der Einflussnahme missbraucht werden.


Waffe 2:
Commitment und Konsistenz

Das Bedürfnis nach Konsistenz in Worten, Überzeugungen und Taten resultiert im Wesentlichen aus drei Quellen:

  1. Konsistenz wird von der Gesellschaft ein hoher Wert beigemessen
  2. Konsistentes Verhalten bewährt sich im Alltag
  3. Eine Orientierung am Konsistenzprinzip erleichtert die Komplexität des modernen Lebens. Man handelt konsistent zu den einmal getroffenen Entscheidungen und muss nicht immer wieder alle relevanten Informationen überprüfen.

Haben Menschen einmal einen Standpunkt bezogen (commitment), so sind sie bereit, Aufforderungen nachzukommen, die mit diesem im Einklang stehen. „Wer A gesagt hat, muss auch B sagen“ oder „wenn man etwas angefangen hat, muss man es auch zu Ende bringen“

Gelingt es, Menschen einmal dazu zu bringen, eine bestimmte Position einzunehmen, so folgt ein dazu konsistentes Verhalten im Sinne des Überzeugungsprofis. Beispiel: Ich habe zugestimmt, ein bestimmtes – übersichtliches – Projekt, trotz schon bestehender hoher Arbeitsbelastung, zu übernehmen. Jetzt kommt mein Chef – fast schon regelmäßig – und erweitert den Auftrag….

Commitments führen häufig zu konsistenten Handlungen, wenn sie

Je mehr dieser Faktoren zutreffen, desto wahrscheinlicher wird ein commitment sogar aufrechterhalten, wenn die Bedingungen sich verändert haben. Es werden dann neue Begründungen und Rechtfertigungen für das konsistente Verhalten gesucht.

Möglichkeiten, gegen ein ungewolltes commitment anzugehen:

1. Bei Signalen aus dem Magen: Dem Gegenüber erklären, dass der Akt ein ungewolltes Konsistenzverhalten darstellen würde und wir daher lieber davon Abstand nehmen würden.
2. Bei Signalen aus dem Herzen: Überlegen, ob man wieder genauso handeln würde, wenn man die Zeit zurückdrehen könnte.


Waffe 3: Soziale Bewährtheit

Das Prinzip der sozialen Bewährtheit besagt, dass sich Personen häufig bei Entscheidungen am Handeln anderer Personen in derselben Situation orientieren. In der Regel begeht man weniger Fehler, wenn man nach sozial bewährten Mustern handelt. Bei Kaufentscheidungen kommt  solchen Nachahmungseffekten eine große Bedeutung zu.

Zwei Bedingungen für den Einfluss des Prinzips der sozialen Bewährtheit:

  1. Bei Unsicherheit und Mehrdeutigkeit der Situation wird die Aufmerksamkeit auf andere Personen gerichtet.
  2. Ähnlichkeit der handelnden Person mit dem Vorbild.

Das Prinzip kann genutzt werden, um eine Person einer Forderung gefügig zu machen, indem man ihr nahe legt, dass viele andere Personen zuvor schon so gehandelt haben, wie man es nun auch von ihr erwartet. „Das wird sehr gerne gekauft“ oder subtiler: „wir mussten dieses Produkt schon zum zweiten Mal nachbestellen“ ist eine typische Aussage im Laden. Bekannt sind uns allen die Werbeclips, wo scheinbar ganz normale Menschen „auf der Straße“ nach ihrer Meinung zu einem Produkt gefragt werden. Ist zwar völlig offensichtlich, wirkt aber trotzdem.

Eine Möglichkeit, sich gegen das Bewährtheitsprinzip zu wehren, ist die Aufmerksamkeit für eindeutig manipulierte Informationen. Die Aussage über Handlungen uns ähnlicher Personen sollte nicht einzige Grundlage für unsere Entscheidungen sein.


Waffe 4: Sympathie

Menschen lassen sich eher von jemandem beeinflussen, den sie sympathisch finden. Sympathie entsteht durch das Zusammenkommen vieler verschiedener Merkmale. „Menschen kaufen am liebsten von Freunden“ hat es ein erfolgreicher Verkäufer einmal ausgedrückt.

Überzeugungskraft kann gestärkt werden, indem diese Merkmale in den Vordergrund einer Interaktion gestellt werden und so die Attraktivität und Beliebtheit steigern.

Solche Merkmale sind:

  • Körperliche Attraktivität strahlt auf andere Persönlichkeitseigenschaften aus, die automatisch mit dieser Attraktivität assoziiert werden (Intelligenz, Freundlichkeit).
  • Ähnlichkeit
  • Lob und Anerkennung, sofern sie nicht offensichtlich als Manipulation erkannt werden.
  • Regelmäßiger Kontakt unter positiven Bedingungen
  • Assoziation mit einer positiven Sache

Eine Möglichkeit, dem unerwünschten Sympathieeinfluss auf eine Entscheidung zu entgehen, ist die bewusste Unterscheidung zwischen Anbieter und Angebot. Indem man innerlich einen Schritt zurückgeht, wird es möglich, allein aufgrund der Vorzüge des Angebotes zu entscheiden.

Waffe 5: Autorität

Die Stärke der Tendenz zur Unterordnung unter legitime Autoritäten ist die Folge systematischer Sozialisationsmechanismen, mittels derer den Mitgliedern der Gesellschaft eingeimpft wird, sich Autoritäten zu fügen. Gedankenlose Autoritätshörigkeit kann auch als Möglichkeit dienen, sich die Entscheidungsfindung zu vereinfachen.

Symbole, mit denen Autorität verbunden wird:

  • Titel
  • Kleidung
  • Autos

Auf diese Symbole wird, Forschungen zufolge, stärker reagiert als auf eigentliche Autorität. Außerdem wird der Einfluss von Autoritäten auf das eigene Verhalten stark unterschätzt. Eines der bekanntesten Beispiele ist das sogenannte Milgram-Experiment, bei dem Versuchsteilnehmer bereit waren, anderen Menschen Stromschläge zu erteilen, die Fragen falsch beantwortet hatten. Alle Teilnehmer „gehorchten“ dem sehr autoritären Versuchsleiter trotz eigener, massiver Bedenken bis zum Ende (450 Volt).

Man kann sich durch zwei Überlegungen gegen die durch Autoritätseinfluss entstehenden nachteiligen Auswirkungen schützen:

 

  1. Ist die Autoritätsperson tatsächlich ein Experte oder wird Autorität nur durch Symbole vermittelt?
  2. Kann ich der Person vertrauen oder hat sie nur durch eine Taktik versucht, mein Vertrauen zu erlangen


Waffe 6: Knappheit

Das Knappheitsprinzip besagt, dass Menschen Gelegenheiten einen höheren Wert beimessen, die weniger erreichbar sind.

Quellen für dieses Prinzip sind:

  1. Die Verfügbarkeit einer Sache dient als Indikator für Qualität.
  2. Die Reaktanztheorie besagt, dass wir auf den Verlust von Freiheit (die Freiheit, über eine Sache verfügen zu können) mit Wiederherstellen der Freiheit (über die Sache verfügen) reagieren.

 

Für Profitzwecke kommt dieses Prinzip in Überzeugungsstrategien wie „die Taktik der kleinen Menge“ oder der „Fristentaktik“ zum Ausdruck. Es soll signalisiert werden, dass ein Objekt in zeitlicher oder mengenmäßiger Hinsicht nur begrenzt verfügbar ist. („die letzten Exemplare“ „nur noch heute“)

Das Knappheitsprinzip steckt sowohl hinter der Bewertung von Gütern als auch der Bewertung von Informationen. Sobald eine Information als nicht für jedermann zugänglich gesehen wird, wird sie auch als exklusiv betrachtet.

Die Wirksamkeit des Knappheitsprinzips ist abhängig von

  • der Dauer der Knappheit (Dinge, die schon lange knapp sind, werden als nicht so wertvoll betrachtet wie solche, die gerade erst knapp geworden sind)
  • der Konkurrenz, gegen die wir uns durchsetzen müssen, um das Objekt zu erlangen.

Eine Möglichkeit, sich gegen eine emotionale Erregung zu wehren, die zum Kauf eines Objekts führt besteht darin, zunächst die Erregung zu kontrollieren. Man sollte sich erst beruhigen, um dann das Angebot möglichst neutral bewerten zu können.

Zusammenfassung: WARUM funktioniert eine Tupperparty?

Reziprozität: Zu Beginn gibt es ein paar Spiele, bei denen Produkte gewonnen werden können. Wer nichts gewonnen hat, darf sich noch etwas aus einem Grabbelsack nehmen.

Commitment: „wenn ich schon hier bin, kaufe ich auch etwas

Soziale Bewährtheit: Die Teilnehmer werden angehalten, die Vorzüge der Produkte, die sie bereits besitzen, zu schildern. zusätzlich bestätigt jeder Verkauf, dass andere, ähnliche Menschen die Produkte haben wollen.

Sympathie: Ich bin von einer Freundin eingeladen worden, die mich als Gastgeberin auch noch bewirtet. Ich weiß natürlich, dass sie an jedem Artikel mit verdient (Reziprozität)

Autorität: Die ebenfalls anwesende Tupperware-Vertreterin liefert noch einige „wissenschaftliche“ Belege und weist auf die hohe Produktqualität hin.

Knappheit: Einige Artikel sind immer die „Letzten“, andere gibt es „nur heute“ im Sonderangebot.

 

 

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Robert B. Cialdini
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Kommentare:

„Gefällt mir super – habe es mir noch mal zum Wiederholen ausgedruckt – glaube als Eselsbrücke bleibt bei mir die Tupper-Party hängen.“

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Veröffentlicht in Arbeitsmanagement.

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