Vom Mitarbeitergespräch (MAG) zum „MAG-ich-nicht“

Tween son in headphones looks at the digital tablet display while his father yells at him through a megaphoneWarum Mitarbeitergespräche schiefgehen und dann weder von Vorgesetzten noch von Mitarbeitern gemocht werden.

Warum das Mitarbeitergespräch (MAG) überhaupt? Kleine Geschichte der Entwicklung.

Das MAG wurde notwendig, weil Stellenbeschreibungen in einer sich immer schneller verändernden Welt, die Stelle eben nicht mehr ausreichend beschreiben. Durch das MAG konnte die Stellenbeschreibung Jahr für Jahr anpasst, korrigiert und konkretisiert werden.

Mit dem Konzept „Management by Objectives“ (MbO) von Peter Drucker kam dann die Idee, Gespräch und Ziele, die mit dem Geschäftsjahr zusammenhängen, zu verbinden. So war das Jahr als Feedbackbogen für das MAG geboren und hält sich hartnäckig.

Die nächste Stufe ging aus der Reaktion der Betriebsräte hervor: Wenn schon Fordern, dann aber auch Fördern. So kamen Personal- und Kompetenzentwicklung hinzu. Als Steigerung sollte auch eine Perspektive aufgezeigt werden. Wohin soll es gehen, wenn der Mitarbeiter das alles lernt?

Um dort die richtigen Entscheidungen treffen zu können, fügte man schnell die Beurteilung mit ein. Dazu braucht man aber ein Kompetenzmodell oder -profil. Woran soll ich den Mitarbeiter denn messen, war die Frage der Führungskräfte.

Und wenn man schon so viele Themen bearbeitet werden, dann kann man auch gleich noch die Qualität der Zusammenarbeit und die Motivation mit in den Fragenkatalog des MAG aufnehmen.

 

95 % der MAG‘s scheitern faktisch nach einer Halbwertzeit von 2 Jahren.

In den meisten Unternehmen sind die MAG’s faktisch nach zwei Jahren gescheitert. Deutliche
Anzeichen sind: Es wird vom Vorjahr abgeschrieben, Formulierungen ähneln sich über mehrere Jahre und Mitarbeiter. Eigentlich wird nur noch der Form Genüge getan, nicht aber dem Geist der hinter dem MAG steht. Man könnte auch sagen, Form schlägt Sinn.

 

19 Gründe für das Scheitern von MAG‘s

Aus unserer Sicht spielen viele der nachfolgend genannten Gründe mit, wenn das MAG zum MAG-ich-nicht wird:

  1. Ein MAG-Leitfaden ist wie ein Routenplan, bei dem keine anderen Wege oder ein Bewegen in zwei Dimensionen möglich ist.
  2. Die Fragen sind zu generisch. Es gibt keine Differenzierung nach Aufgaben.
  3. Kompetenzen sind die Anker. Aber sie sind schwer zu bewerten, Konfliktpotenzial, unnötige Konflikte.
  4. Kompetenzen müssen auf Negativ-Positiv-Skalen bewertet werden.
  5. Das Protokollsystem ist zu rigide, nicht intelligent genug, lässt Abweichungen, Kreativität, die Besonderheiten einer Stelle oder Person nicht zu. Subtext der Formulare: „Sie sind eine „Nummer“ von vielen.“
  6. Nur ZDF-Ziele werden erfasst.
  7. Bonus- Ziele bilden die wirklichen Erfolge nicht ab. Sie sind nicht beeinflussbar. Ziele fokussieren auf Kennzahlen, pekuniäre Größen. Folge: Fehlallokation der Arbeitszeiten und Fehlmotivation.
  8. Team- oder Gruppenziele fördern Egoismus (Kommunismuseffekt: Wenn ich 100 % weniger tue, gewinne ich trotzdem 80 oder 90 % des Bonus, Warum soll ich also etwas machen, denn mein Kollege macht da ja auch weniger als ich.) Psychologisch nachgewiesen: Der eigene Anteil am Team wird immer überschätzt.
  9. Weiche Faktoren, wie Beziehung und Motivation, fehlen.
  10. Perspektiven, Entwicklungsziele demotivieren, wenn das Unternehmen keine Laufbahnpläne hat und die Beförderung von externen Faktoren, wie die Unternehmensentwicklung abhängt.
  11. Bonus: Geld motiviert nicht immer. Geld kann sehr stark demotivieren, wenn Lob und Anerkennung gewünscht war. (Selbst Banken überdenken die Bonusphilosophie).
  12. Anpassungen sind nicht oder nur unter Aufwand möglich.
  13. Keine Zwischengespräche: Verinselung des Jahresgespräches. MAG wird zur Wundertüte, zur Jahreswette. Hat mit dem realen Arbeitsalltag nichts zu tun. Lebt nicht. Wird nicht eingesetzt als Quelle der alltäglichen Steuerungstools.
  14. Umsatzziele werden von oben nach unten durchgereicht. Abhängige Ereignisketten führen immer zur Verzögerung. Unten angekommen, vergehen nicht selten 4 bis 6 Monate! Frust, Verlust von Glaubwürdigkeit und organisatorischem Selbstwertgefühl.
  15. Ziele belohnen nur das, was sowieso verfolgt wird, weil es sichtbar ist: Umsätze, DB´s ROI´s etc. und selbst Banken überdenken die Bonusphilosophie.
  16. Ziele werden vor dem Hintergrund der aktuellen Themen entwickelt. Ja nach Thema im Jourfix der Unternehmensführung. Moving Targets. Wenn sich ein Prozess hinzieht, kann es durchaus alle zwei bis drei Wochen ein neues Ziel geben, je nachdem, was gerade auf der ersten Seite der unternehmensinternen „Bildzeitung“ steht.
  17. Vorgesetzte beherrschen das Feedback nicht. Folge: Demotivation. Das MAG wird zur Goldwaage! Hohe Erwartungen an DAS eine große Jahresgespräch.
  18. Vermengung von zu vielen Richtungen: weiche und harte Faktoren, Verhandlungsthemen und Vertrauensthemen in einem Gespräch. Gehalts- und Beförderungsfragen gleich nebenbei, Beurteilung und Unternehmensumsätze. Feedbackbögen von 4 Wochen bis 4 Jahre.
  19. Überbetonung der Vergangenheit. Bewertung und Beurteilung um der Bewertung und der Beurteilung willen. Damit Überbetonung der drei „schwarzen Punkte“ in einem Eimer mit weißer Farbe.

 

Vom MAG zum „MAG-Ich“

Wie aber lassen sich diese Fehler vermeiden? Aus unserer Sicht gibt es durchaus Möglichkeiten, das MAG wieder zum sinnvollen Instrument der Mitarbeiterführung werden zu lassen.

  1. Für die Protokollierung ist eine hoch anpassungsfähige Form zu wählen.
    Arbeiten mit einem Modulsystem, dass aus Beiblättern besteht.
  2. Eine möglicht zukunftsorientierte Betrachtungsweise
    (Vergangenheit nur als Hilfe für Zukunftsentscheidungen)
  3. Bewertungen des Mitarbeiters sind schon im Vorfeld besprochen worden sodass es keine
    unliebsamen Überraschungen mehr gibt.
  4. Zwischengespräche mit dem Mitarbeiter sind Pflicht, Anzahl und Termine werden früh festgelegt.
  5. Das MAG dient diesen Zwischengesprächen, denn sie sind die eigentlichen Führungsgespräche.
    Hier werden Ziele korrigiert, abgeschlossen, angepasst undnachgehalten.

 

Wichtig ist, dass das MAG mit Freiheitsvariablen ausgestattet wird:

  1. Sollen mehr die ZDF- Ziele (Zahlen-Daten-Fakten) oder die mehr qualitative Ziele betont werden?
  2. Sollen die wichtigen Beurteilungsbereiche mehr vergangenheitsorientiert (Bewertung, Beurteilung, Standortbestimmung) oder zukunftsorientiert (Perspektiven: Was kommt mehr, was weniger?) sein?
  3. Als dritte Variable kann der Standardisierungsgrad angesehen werden. Welche Abweichungen, Besonderheiten lässt das System zu? Wie digital, geregelt, wie analog, wie frei ist ein System angelegt? Was wird wem gegenüber, wie gemeldet?
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