Laterale Führung – Führung ohne Weisungsbefugnis

Ulrich Grannemann – Was bedeutet Laterale Führung? Wo kommt sie vor? Ist sie der neue Heilsbringer? Den Begriff der lateralen Führung finden wir in einer breiten Interpretationspalette. Eins ist ihnen jedoch immer gemeinsam: Führen ohne Machtbefugnis.

Laterale (lat.: seitlich) Führung versucht die zunehmenden Formen von Führung ohne feste Weisungsbefugnis zu beschreiben. So zum Beispiel die Führung freier Mitarbeiter, wie etwa Lektoren, die ihre Autoren führen müssen, oder die Führung mächtiger Lieferanten oder von Ehrenamtlern.

Nicht selten werden auch Abstimmungsformen innerhalb von Organisationen, wie Projektleitung oder Matrix, als laterale Führung bezeichnet. Spätestens bei der Nutzung des Begriffes für Vorgesetzten-Mitarbeiter-Beziehungen in der Linie geht laterale Führung in kooperative Führung über. Auf der anderen Seite des Bedeutungsspektrums steht die einfache Kooperation. Führung wird aber überall dort notwendig, wo Unterschiede in der fachlichen Kompetenz bestehen.
Laterale Führung bezeichnet somit die unterschiedlichsten Formen von Führen. Allen gemeinsam ist eine geringe Machtdistanz, die wiederum große Überzeugungs­notwendigkeit erfordert.
Laterale Führung benötigt mehr Zeit und verbessert häufig Entscheidungen, da mehr Perspektiven in Lösungen einfließen. Bei Zeitdruck führt laterale Führung jedoch zum Stillstand.
Laterale Führung wird als neuer Begriff teilweise sehr weit gedeutet. Für manche Autoren ist schon alles, was nicht autoritäre „Basta-Führung“ ist, lateral. Nimmt man „seitlich“ wirklich ernst, dann schafft laterale Führung sich selbst ab. Es ist eine Gerade mit der Länge Null.
Der Macht-Vektor erstreckt sich von absoluter, autoritärer, diktatorischer Macht (90 Grad) bis hin zur gleichberechtigten Kooperation (0 Grad).
Was wir in Unternehmen erleben ist im Grunde keine Lateralisierung der Führung, sondern eine Diversifizierung der Führungsformen. Den klassischen Linienboss gibt es schon lange nicht mehr. Und je mehr Perspektiven eine Führungskraft in seine Entscheidungen mit integriert, um so besser die Lösungen. Eine Ent-Machtung zwingt die Führungskraft zur Erweiterung und Einbeziehung der Sichtweisen der Mitarbeiter.
Aber eine völlige Entmachtung hat auch eine völlige Ent-Verantwortung zur Folge. Entweder geht dann die Verantwortung an den Mitarbeiter über oder es kommt zu organisierter Unterverantwortung.
Der eine oder andere Projektleiter behauptet gerne, er hätte  keine Weisungsbefugnis und entschuldigt damit nicht selten einen möglichen Misserfolg. Die Weisungsbefugnis des Linienbosses ist zeitlich unbegrenzt und bezieht sich auf alle Bereiche des Arbeitsvertrages (disziplinarische Führung). Die Weisungsbefugnis des Projektleiters ist im doppelten Sinne zeitlich begrenzt: Sie bezieht sich in der Regel auf einen Teil der Arbeitszeit und hat, wie jedes Projekt, ein Ende. Umso mehr muss der Projektleiter sich seiner Verantwortung und damit der notwendigen Entscheidungsbefugnis bewusst sein.
Ob der Begriff „laterale Führung“ Zukunft hat ist schwer zu sagen. Zur Zeit hat er noch Schwierigkeiten sich gegen die alten „Geschwister“ durchzusetzen. Vorteil ist, dass „lateral“ neu und modern klingt. Egal wo wir als Führungskraft stehen, in der Linie, im Projekt oder in der Matrix, wir werden immer stärker zu Moderatoren von Prozessen, die über Abteilungsgrenzen hinweg Wissen so kombinieren, dass die besten Lösungen nach oben kommen. Die Grenze ist dort, wo die Publikumsfrage bei „Wer wird Millionär“ (Schwarmintelligenz) nicht der richtige Weg ist oder wo viele Köche den Brei verderben.

Die Zeit der heilbringenden Führungsideologien ist vorbei. Alle Führungsformen bestehen nebeneinander fort. Führung wird immer mehr zu einem Beruf mit höchsten Ansprüchen.

 

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