Und es geht doch! Über die Vereinbarkeit von Moral und Gewinn bei dm.

Michael Schmidt – Neulich war in meinem Wohnort Herr Erich Harsch, der Vorsitzende der Geschäftsführung der Drogeriemarktkette dm, zu Gast und hielt einen Vortrag über das Unternehmenskonzept und die Philosophie von dm. Der Vortrag hat mich begeistert, und daher fasse ich die wesentlichen Aussagen hier zusammen.

dm ist wirtschaftlich gesehen ein Großunternehmen:
Umsatz über 5 Mrd. Euro
1.345 Filialen in Deutschland
Jedes Jahr werden 1.000 neue Auszubildende eingestellt
In der Unternehmensphilosophie unterscheidet sich dm jedoch wohltuend von den meisten anderen Großunternehmen, nicht nur im Einzelhandel. Welches sind die wichtigsten Eckpunkte?
1.     Gelebte Kundenorientierung
Das Motto von dm lautet: „Hier bin ich Mensch, hier kauf ich ein.“ Das zeigt sich nicht nur in der Gestaltung der Läden und der Freundlichkeit des Personals, sondern auch durch den Verzicht auf Rabattschlachten und großartige Marketingversprechen. Für alle Artikel im Sortiment werden die Grundpreise ausgezeichnet und deren Höhe für vier Monate garantiert. Diese Preisstabilität wissen die Kunden zu schätzen und kaufen entsprechend. Zudem werden sie kompetent beraten.
2.     Flache Hierarchie und Selbststeuerung durch Eigenverantwortung
Das hierarchische „Anweisungssystem“ ist immer noch der Standard in deutschen Unternehmen. „Ein System, welches sich nur auf Regeln konzentriert, neigt dazu, dieses System zu übertreiben.“ So Harsch. dm setzt hingegen auf die Eigensteuerung der Filialen. Diese bestimmen selbst über ihre Bestellmengen, da sie am besten wissen, was mehr und was weniger gekauft wird. Zudem gibt es keine Budgetvorgaben. „Solch eine Vorgabe ist vielmehr korrumpierend und lenkt den Fokus vom Kunden weg“, sagte Herr Harsch dazu. Er ging auch hart mit den weit verbreiteten Zielvorgaben ins Gericht, die meistens utopisch hoch seien und so die Mitarbeiter frustrieren würden. Bei dm hingegen sei der Begriff der Freiheit elementar kulturprägend, gemäß der Definition des Politologen Hamed Abdel-Samad: „Freiheit heißt, das Recht zu haben, Verantwortung zu übernehmen.“ Dazu Harsch: „Wenn Entscheidungen frei getroffen werden, entwickeln sich der Mensch und das Unternehmen automatisch nach vorne.“
3.     Vertrauen in die Mitarbeiter und Mitarbeiterförderung
Die Auszubildenden (und auch später die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter) werden von Anfang an gefordert und gefördert. Ziel des Unternehmens sei es, so Harsch, „die individuellen Fähigkeiten der jungen Leute zu stärken und ihnen Kultur näher zu bringen.“ Zu diesem Zweck durchlaufen alle Auszubildenden während ihrer Lehrzeit mehrtägige Theaterkurse mit anschließender Aufführung, was sie sowohl im persönlichen Auftreten als auch im Umgang mit Kunden sicherer macht. Dadurch entwickelt sich laut Harsch eine Art Zutrauen, das später zum Vertrauen führt.
4.     Soziale Verantwortung
„Nachhaltigkeit kann nur mit sozialen Komponenten geschaffen werden. Somit werden auch ökonomisch bessere Entscheidungen getroffen,“ davon ist Harsch überzeugt. Gewinne seien erstrebenswert für das Unternehmen, müssten aber in die Zukunft (sprich Produkte, Kunden und Mitarbeiter und das soziale Umfeld) investiert werden. Wirtschaftliches Handeln könne nur im Einklang mit sozialer Verantwortung funktionieren. dm setzt dabei sowohl bei den Kunden als auch bei den Mitarbeitern und den Produkten an. Ethisches Handeln steht daher für Harsch über Gewinnmaximierung, und die Stärkung des freien Individuums wirkt sich seiner Meinung nach fast automatisch positiv auf den ökonomischen Erfolg eines Unternehmens aus.
Nun muss man nicht allen diesen Aussagen zustimmen, und wahrscheinlich hat jeder schon mal „Schweinebacken“ kennengelernt, die ihre individuelle Freiheit unverantwortlich ausgenutzt haben (die gibt es auch gelegentlich bei dm). Der Gesamterfolg und das stetige Wachstum von dm zeigen jedoch, dass der Ansatz in der Praxis funktioniert und sich bewährt hat. Gerade in den heutigen Zeiten der Sinnkrise finde ich es sehr ermutigend zu sehen, dass Ethik und Ökonomie sehr wohl unter einen Hut passen.

 

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Veröffentlicht in Arbeitsmanagement.

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