Situative Führungsstile nach Reddin

Ulrich Grannemann – Während Hersey und Blanchard uns über die Reifegrade unserer Mitarbeiter Hinweise geben, welche Arbeits-Paketgrößen wir am besten an wen delegieren, hilft uns Reddin zu entscheiden, in welche Ecke unserer Führungs-Toolbox wir bei welchen Herausforderung greifen sollten. Da er die drei Dimensionen Beziehungsorientierung, Aufgabenorientierung und Effektivität zu Ableitung seiner Führungsstile verwendet, wird das Modell auch gerne 3-D-Modell nach Reddin genannt.

Was haben die folgenden Fälle gemeinsam?
Jemand kommt zu spät und die Führung gibt neue Regeln heraus und schafft eine Stechuhr an. Ein Mitarbeiter klagt über Mobbing und die Führungskraft lädt zu einem Teammeeting zu diesem Thema ein. Ein Mitarbeiter „performt“ nicht mehr und der Vorgesetzte verschärft die Abgabetermine und lässt regelmäßig „reporten“. Die Fluktuation ist zu hoch. Der Vorstand startet eine unternehmensweite Mitarbeiterbefragung oder verabschiedet ein Führungsleitbild, an das sich alle Führungskräfte zu halten haben. Führungsverhalten wird allerdings nicht als Aufgabe formuliert und eingefordert.

In all diesen Fällen reagiert die Führungskraft auf eine spezifische, situative Herausforderung oder Aufgabe mit einem Tool aus der falschen Toolbox.
Macht der Mitarbeiter Fehler, die er bisher nicht gemacht hat, ist die Hypothese einer Störung in Beziehung oder Motivation die zunächst sinnvollste. Erste Reaktion wäre das beziehungsorientierte Vier-Augen-Gespräch. Für Mobbing, Alkohol und psychische Auffälligkeiten ist der erste Schritt der Blick in mögliche hilfreiche Verfahren. Wir sind zwar die ersten, die Symptome sehen, aber wir sind als Führungskräfte weder Ärzte, Psychiater oder Polizisten. Auch wenn jemand zu spät kommt, ist die beziehungsorientierte Frage nach privaten Faktoren der erste Schritt. Danach kommt unter Umständen der aufgabenorientierte Hinweis auf die Pünktlichkeit als nicht diskutierbarer Teil des Arbeitsvertrages.

Wer nur einen Hammer hat, für den sieht bald alles wie ein Nagel aus.

Die Frage ist also: Welche Tools habe ich? Welche nutze ich besonders gerne? Und passen sie zu den Führungsaufgaben? Bin ich also effektiv? Tue ich die richtigen Dinge? Oder leide ich darunter, dass ich versuche möglichst viele Probleme mit wenigen Werkzeugen zu lösen.

Wechselt meine Führungssituation kann es also sein, dass ich von einer sehr erfolgreichen Führungskraft zu einer grottenschlechte mutiere, weil auf einmal meine Standardwerkzeuge nicht mehr zu Situation passt.

Welche Tools mag ich (zu sehr)?


Beziehung

Gespräche unter vier Augen zu Themen wie Arbeitszufriedenheit, Motivation, Vertrauen, Konflikte, persönliche Perspektiven und Entwicklung, privates Umfeld

Integration

Erarbeitung von Inhalten mit den Mitarbeitern, Workshops, Abteiungs- und Teammeetings, Arbeitskreise, Taskforces, Projektteams

Verfahren

Regeln, Standards, SOP´s, Vorgaben, Leitlinien, Prozesshandbücher.
Ausführung und/oder Entwicklung


Aufgaben

Delegation von Aufgaben, Besprechung von Inhalten, Vereinbarung von Arbeitszielen, Verbesserung der Leistung in Quantität und Qualität.

Für welche Herausforderungen brauche ich zunächst welche Tools?

Welche Symptome, Signale sprechen für welchen Führungsstil?


Beziehung

Motivationsfragen, Störungen in Vertrauen, Ärgerpunkte, Rabattmarken (Link), persönliche und private Punkte, persönliche Rahmenbedingungen,  Entwicklung und Perspektiven

Integration

Kreative Aufgaben, Entwicklung und Start neuer, noch nicht strukturierter Projekte und Aufgabe. Entscheidungsvorbereitung, bei der viele Perspektiven wichtig sind.

Verfahren

Compliance, Prozesse und Abläufe, die Sicherheit und Orientierung geben, unternehmensweite Regeln, Kulturen, Stile

Aufgaben

Zuverlässigkeit, Termintreue, Quantität oder Qualität stimmen nicht. Projetfortschritt, Durchsetzung, Effizient, Zielgenauigkeit.

 

Es ist naheliegend, dass unsere persönlichen Charaktermerkmale und unsere Prägungen einen erheblichen Einfluss auf die Ausbildung unserer Lieblingswerkzeuge haben.. 

Redding beschreibt die Verhaltentypen in seinem Buch „3-D-Programm zur Leistungssteigerung des Managements“ (1970)“ wie folgt:

Verhaltenstypologien nach Reddin:

Beziehung

„Der Beziehungsstil-Manager akzeptiert andere so wie sie sind. Er hat Freude an langen Gesprächen als Möglichkeit, andere besser kennenzulernen. (…) Er sieht Organisationen primär als soziale Systeme und beurteilt seine Mitarbeiter danach, wie gut sie andere verstehen. Er beurteilt Vorgesetzte nach der Wärme, die sie Mitarbeitern zeigen. In Meetings unterstützt er andere, gleicht Differenzen aus." Er ist der Teil der Führung, der sich um die menschliche Seite, um die seelischen Belange und Empfindungen der Mitarbeiter kümmert. Er ist der soziale Firmenmensch. „Menschen stehen an erster Stelle; ruhig, unbeachtet; lange Gespräche; mitfühlend, verständnisvoll, wohlwollend, freundlich."

Integration

Der Integrationsstil ist das ausgleichende, kommunikative Schmieröl zwischen verschiedenen Meinungen und Interessen von Einzelnen und Gruppen im Unternehmen. „Der Integrationsstil-Manager wird gerne zu einem integrierten Teil der Dinge. Grundsätzlich möchte er gerne dabei sein und gibt sich große Mühe, zu Einzelpersönlichkeiten oder Gruppen bei der Arbeit besten Kontakt zu finden. Kommunikation mit anderen pflegt er gerne im Rahmen von Gruppen oder in häufigen Konferenzen und Besprechungen." Er bevorzugt Teamwork und möchte alle Mitarbeiter gleichberechtigt einbeziehen und voll integrieren. Er möchte in jedem die Flamme einer Leitidee entfachen. „Leitet Autorität aus Zweck, Idealen, Zielen, ab, integriert den Einzelnen in die Organisation; will Mitsprache, geringe Machtunterschiede."


Verfahren

Schließlich bleibt noch der Verfahrensstil-Manager, welcher sowohl in Aufgabenorientierung, als auch in Beziehungsorientierung ein niedriges Niveau aufweist und somit den passivsten und trockensten Charakter darstellt. „Dem Verfahrensstil-Manager liegt viel an der Korrektur von Abweichungen. Er bevorzugt die schriftliche gegenüber der mündlichen Kommunikation. (…) Von der Zeitperspektive ist er verVorsichtig, sorgfältig, konservativ, ordentlich; Vorliebe für Verfahren, Tatsachen; Sucht nach festgelegten Prinzipien; genau, pedantisch, korrekt, perfektionistisch; unerschütterlich, bedächtig, bescheiden.gangenheits-orientiert und richtet sich danach, „wie wir es das letzte Mal schon gemacht haben.“ (…) In Meetings verfolgt er gern einen unterkühlten parlamentarischen Stil, versucht Positionen abzuklären, andere bei Erledigung der Tagesordnung zu lenken und alle Beiträge über den Vorsitzenden zu leiten. Wenn Dinge falsch laufen, reagiert er meistens mit dem Vorschlag strengerer Kontrollen.“ (S. 48)  Er wird beschrieben als „Vorsichtig, sorgfältig, konservativ, ordentlich; Vorliebe für Verfahren, Tatsachen; Sucht nach festgelegten Prinzipien; genau, pedantisch, korrekt, perfektionistisch; unerschütterlich, bedächtig, bescheiden.“ (S. 244.)

Aufgaben

Der Aufgabenstil entspricht einer hohen Aufgabenorientierung und einer niedrigen Beziehungsorientierung. „Der Aufgabenstil-Manager neigt dazu, andere zu beherrschen. Er gibt seinen Mitarbeitern viele mündliche Anweisungen. Seine Zeitperspektive liegt in der unmittelbaren Gegenwart. (…) In Ausschüssen spielt er gerne eine sehr aktive Rolle, initiiert, bewertet und leitet. (…) Stresssituationen löst er durch Dominanz.“ (S. 50). In seiner impulsiven Art schert er sich wenig um die Beziehung mit dem Mitarbeiter, sondern er trägt ihm spontan mündlich Aufgaben zu, sobald ihm diese einfallen. Der Aufgabenstil wird durch folgende Merkmale charakterisiert: „Bestimmt, aggressiv, zuversichtlich, geschäftig, treibt an, erteilt Aufträge, delegiert Verantwortung, setzt Maßstäbe jeweils individuell, selbstsicher, unabhängig, ehrgeizig."
 


Führungsstile und das Riemann-Kreuz

Weitere Korrelationen von Persönlichkeit und Tendenz zu bestimmten Führungsstilen drängen sich zum Beispiel über das Riemann-Kreuz auf, das über die Orientierung in Nähe und Distanz und Stabilität und Wandel zu menschlichen Grundtypen bildet:


Beziehung

Nähe und Stabilität

Integration

Wandel und Nähe

Verfahren

Distanz und Stabilität

Aufgaben

Distanz und Wandel

Negative, ineffektive Führungsstile

Wird ein Führungsstil zu stark eingesetzt und genutzt wird aus dem beziehungsorientierten Förderer ein Gefälligkeitsapostel, der es allen recht zu machen versucht und dabei ungerecht wird. Aus dem Integrierer wird ein Kompromissler, der zu viel – auch Entscheidungen –  an Teams delegiert und damit die Verantwortung negiert. Wird die Erfolgs- und Aufgabenorientierung zu stark, entsteht der Autokrat mit cholerischen, aggressiven Zügen. Und aus dem Bewahrer und Stabilisierer wird ein Kneifer, der sich hinter Regeln versteckt.
 

 

 

Das 3 D Modell der Führungsstile von Reddin, S. 28

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Veröffentlicht in Führungsauftrag.

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