Am Anfang steht die „Wellenlänge“




Ulrich Grannemann – Führung ist ein „Kommunikationsjob“. Basis jeder Kommunikation ist die Kontaktqualität und die ist erkennbar an nonverbalen Signalen und Merkmalen: Kontakt, Rapport, „Joining“, „Chemie“ oder „Wellenlänge“


 

„Die Wellenlänge  stimmte von Anfang an“.

Was passiert, wenn zwei Menschen miteinander kommunizieren wollen? Sie gleichen sich unbewusst einander an. So gleichen Sie zum Beispiel den Takt bzw. die Frequenz Ihrer Bewegungen und Ihrer Sprache, Ihre Körperspannung, den Tonus und manchmal sogar die Art zu atmen (Frequenz, Bauch-/Brustatmung) Ihrem Gegenüber an. In der Literatur hat sich für dieses Phänomen der Begriff Rapport*) eingebürgert.

 

In der Führungspraxis reichen uns zur Erreichung eines guten Rapports die Anpassung von Takt und Tonus vollkommen aus. Diese beiden Variablen sind in der Kommunikation nie gleich, sondern wechseln ständig. Wir nehmen immer verschiedenen Körperspannungen und Frequenzen an und variieren sie.

 

Nach Lesen dieses Artikels beobachten Sie doch einfach mal (dies geht auch im Fernseher), wie Menschen gehen und gestikulieren. Was tun zwei Menschen, die sich unterhalten oder miteinander über die Strasse gehen? Achten Sie dabei auf den „Gleichklang“, auf die Ähnlichkeiten in den Bewegungen. Wenn Sie Glück haben, können Sie beobachten, was passiert, wenn sich zwei Menschen begegnen, die vorher in einer andere Stimmung, Frequenz und Körperspannung „unterwegs“ waren. Sie können beobachten, dass sich die Personen, als hätten sie es vorher verabredet, auf einen gemeinsamen Takt „einigen“. Besonders gut kann man dies erkennen, wenn sich beide Personen bewegen. Dann erlebt man, wie der eine seinen Takt „runter“ fährt  (langsamer wird) und der andere „hochfährt“ (schneller wird). Manchmal wird die Anpassungsarbeit auch nur von einer der beiden Personen geleistet. Ist der erreichte Rapport hoch, dann entsteht fast so etwas wie eine unsichtbare „Käseglocke“, die keiner so schnell zu stören wagt.

 

Sie glauben, dass die Merkmale des Rapports schwierig zu erkennen sind?

Nein, denn häufig unterschätzen wir unsere diesbezüglichen Fähigkeiten. Im Gegenteil, wir erkennen die Merkmale sehr schnell, aber leider oft nur unbewusst. Barbara und Allan Pease beschreiben in ihrem Bestseller „Warum Männer nicht zuhören und Frauen schlecht einparken“, dass Frauen, wenn sie in eine Gruppe von Personen kommen, als erstes schauen, wer was mit wem hat. Wie sie das machen? Siebter Sinn? Magisches Auge? Weibliche Intuition?

Nein, es geht um das Erkennen von Rapport bzw. Nicht-Rapport und auch Männer haben diese enorme Fähigkeit, solche Signale wahrzunehmen und zu verarbeiten.  

 

Leider werden die Rapport-Erkennungs-Merkmale nicht immer an unser Bewusstsein gemeldet. Wir sprechen dann zum Beispiel von schlechter Stimmung oder von schlechter Atmosphäre, wenn wir in ein Meeting kommen. Unser Unterbewusstsein registriert, dass ein Teilnehmer oder eine Teilgruppe den Rapport verweigert. Und mit Recht gehen unsere Alarmglocken an! Trauen Sie Ihrem Unterbewussten und hören sie darauf.

 

Fehlender Rapport ist immer ein Zeichen für eine Störung

Wir haben keine Ahnung, was genau nicht stimmt, aber fehlender Rapport ist immer ein Zeichen für eine Störung. Wo ist die Aufmerksamkeit des Anderen? Es muss nicht die „hidden (versteckte) Agenda“, die „Leiche im Keller“, oder ein fieser, hinterhältiger Plan sein, der zur Störung führt, aber irgendetwas absorbiert die Aufmerksamkeit.  

 

 

 

 

Wenn der Rapport fehlt

Wie essentiell das Rapport-Phänomen ist,  wird deutlich, wenn uns der Rapport verweigert wird. Wir fühlen uns nicht wohl, sind verunsichert und kommen ins Gedankenlesen was der andere wohl hat. Viel zu schnell beziehen wir das Verhalten auf uns selbst. Ein Nicht-Rapport lässt die Fantasien blühen. Wir halten andere dann schnell für unsympathisch oder arrogant.

 

Wir sind niemals vollkommen bewegungslos. Es sei denn, wir leiden an Katatonie oder wir sind tot. Wir geben ständig Bewegungssignale ab und lesen sie bei anderen Menschen. Da die Rapportmerkmale Takt und Tonus auch Auswirkungen auf unsere Stimme und Sprache haben, wirkt das Rapportprinzip auch am Telefon.

 

Was passiert, wenn der Rapport hergestellt ist?

Wir fühlen uns wohl, angenommen, beziehen uns aufeinander. Die Basis für Vertrauen ist geschaffen und die Voraussetzung für gute Kommunikation ist vorhanden. Ein enger Rapport führt zu einer Ähnlichkeit des emotionalen Zustandes. Ein weiteres Folgephänomen ist das Angleichen der Körperhaltung, bis hin zu den genauen Bein- und Armhaltungen, so dass der Eindruck einer Spiegelung entsteht.

 

Daraus ist die Überlegung entstanden, ob man nicht Ursache und Wirkung vertauschen kann und durch bewusstes Spiegeln (oder böse gesprochen „Nachäffen“) der Körperhaltung den Rapport herstellen könnte. Ich kann und will nicht ausschließen, dass es einen solchen Effekt geben kann. Doch wenn es stimmt, dass jeder diese feinen, körpersprachlichen Signale wahrnimmt, dann nimmt man auch wahr, dass derjenige, der einen so spiegelt, mit seinen Gedanken nicht voll bei einem ist. Man spürt das Fehlen des echten, vollen Rapports.

 

 

Rapport bedeutet Aufmerksamkeit, ist Konzentration und Fokus auf den Menschen vor mir.

 

 

 

Warum die Aufmerksamkeit auf den Rapport so wichtig ist 

Wenn Spiegeln kein manipulationsfreies Werkzeug ist, wozu ist Rapport dann wichtig? Rapport ist ein so altes, gut geübtes Muster, dass wir das ruhig unserem Unterbewusstsein  überlassen können. Es reicht im Grunde schon aus, wenn mich ein Störgefühl wach macht und ich wahrnehme, dass die Wellenlänge nicht (mehr) stimmt. Dann kann ich mich neu orientieren, eine Pause machen, einen Unterbrecher setzen und meine volle Aufmerksamkeit wieder auf den Menschen richten, um den Grundrhythmus der Kommunikation, den „Groove“, wie es die Musiker nennen würden, wieder herzustellen. Fehlender Rapport ist ein Alarmzeichen, es ist die leuchtende Warnlampe für eine Betriebsstörung: “ Ich weiß zwar nicht was kaputt ist, aber eine Störung ist vorhanden. Diese Störung muss dabei nichts mit mir oder der aktuellen Situation zu tun haben, kann aber“.

 

Rapportstörungen – Bandbreite

Wie gut ich den anderen in seinem Takt und Tonus erreichen und abholen kann, hängt zunächst von der Bandbreite meiner Reaktionsmöglichkeiten, meines Repertoires ab. Ein guter Kommunikator besitzt eine große, ein schlechter eine kleine Bandbreite. So dürften Sie Schwierigkeiten haben, einen erfolgreichen Verkäufer mit kleiner Bandbreite zu finden. Und es wird, fast schon biologisch, schwierig, wenn ein „Hibbel“, also jemand der nur im oberen Frequenzbereich zu Hause ist, mit einem „Buddha“ kommunizieren möchte, der in halbautistischer Gelassenheit in sich ruht. „Die können schlecht miteinander“ sagt dann der Volksmund. Die Wellenlänge stimmt nicht.

Wenn keine physischen oder medizinischen Gründe dagegen sprechen, ist die eigene Bandbreite durchaus erweiterbar. Das geht nicht in Wochen oder wenigen Monaten, aber die Erweiterung ist lernbar. Es ist wie ein Muskel, der zwar vorhanden ist, aber – aus welchen Gründen (Gewohnheit, Haltung, prägendes Umfeld) auch immer – nicht genutzt wird. Der Muskel lässt sich trainieren!

 

Übung zur Erweiterung der Bandbreite

Suchen Sie bewusst Menschen, die wesentlich schneller oder wesentlich langsamer sind als Sie selbst. Versuchen Sie den Rapport zu halten, im „See der anderen Person zu schwimmen“. Suchen Sie im nächsten Schritt auch Menschen, denen Sie sonst lieber aus dem Weg gehen würden.

 

 

Komfortzone

So, wie jeder sein angeborenes Temperament hat, so hat jeder von uns eine natürliche Wohlfühl- oder Komfortzone. In unserer Komfortzone halten wir uns am liebsten auf und verlassen sie nur, wenn es unbedingt sein muss.

 

Je schlechter wir uns fühlen, umso kleiner wird unsere Komfortzone.  Die effektive Flexibilität hängt ganz entscheidend davon ab, wie hoch unser Selbstwertgefühl ist und wie viel Ressourcen wir abrufen können. Haben wir wenige Ressourcen, ist auch die Flexibilitätszone sehr klein. Wenn jemand krank ist und seine Aufgabe aus Kommunikation besteht, sollte er schon aus Rapportgründen zu Hause bleiben. Er bekommt nur Kontakt zu denen hin, die ihm entgegenkommen. Aber auch jede andere Ressourceneinschränkung verringert die Rapportmöglichkeiten. Sehr viele Führungskräfte haben sich bei mir beklagt, dass sie ihren besten Mann zum Präsentieren vorm Vorstand geschickt haben und sie ihn dann nicht wieder erkannt haben, weil er plötzlich ein Schatten seines Selbst war. Ein komischer Blick, eine kleine Killerphrase, ja eine Fantasie genügen, um aus dem Ressourcenballon die Luft raus zu lassen und den Mitarbeiter seiner, in dieser Situation, wichtigsten Fähigkeit zu berauben: seiner Rapportfähigkeiten.

 

 

Mitarbeitergespräche: Hidden Agenda, Ängste, Fantasien und Co.

Bekomme ich keinen Draht/keinen Rapport zu meinem Mitarbeiter, dann sind seine Ressourcen anderweitig gebunden und stehen aktuell nicht mir und dem Gespräch zur Verfügung. Ursachen können Ängste sein bezüglich meiner Person, bezüglich des Themas oder die Unsicherheit darüber, was in der Situation erwartet wird oder ein Nicht-Wissen, wie man sich verhalten soll.

 

Schmollt ein Mitarbeiter, so mag dies zwar eine sehr infantile Art sein, zu zeigen, dass man sauer ist, aber es ist eine. Eine Rapportverweigerung kann so auch ein Hilferuf sein „Bitte erkenne Du für mich, dass ich ein Problem mit Dir habe“.

 

Angst verletzt zu werden führt ebenfalls zu Kontaktverweigerung (Vogel-Strauss-Politik:  Hab ich keinen Kontakt, dann werde ich auch nicht verletzt“). Das heißt, dass auch ein schlechtes Image („Vorsicht, das ist ein ganz harter Hund“) zu Störungen führen kann.

 

Ein weiteres Störfeld bieten geheime Aufträge „hidden Agendas“ (versteckte Tagesordnungspunkte). Lieber baut man erst gar keinen Kontakt auf, bevor noch jemand merkt, dass man keine Ahnung hat, worum es überhaupt wirklich geht. Es ist die Angst sich zu verraten, die hier die Ressourcen bindet.

 

Auch das Aufbauen einer bestimmten Rolle („Werde ich hier auch so wahrgenommen, wie ich möchte?“), kann die Aufmerksamkeit so stark binden, dass für den eigentlichen Kontakt nichts übrig bleibt. Weitere Ursache: Jemand befürwortet das Gespräch, das Meeting, den Workshop, die Versammlung nicht (aus welchen Gründen auch immer: Schlechte Einladung, Gerüchte, Vorahnungen), dann kann es sein, dass er jeden Rapport verweigert.

 

Der größte Teil der Störungen kommen allerdings aus Situationen im Vorfeld: Probleme, privater oder beruflicher Art, die die Aufmerksamkeit des Gesprächspartners binden.


 

In der Führungspraxis muss ich nicht ständig an den Rapport denken. Das ist weder möglich noch sinnvoll. Aber ein Nicht-Rapport ist immer ein Signal für eine Störung und ein Hinweis, inne zu halten und zu versuchen, den Kontakt wieder herzustellen.

 

Bei jedem Gespräch läuft der „Rapport-Monitor“ ständig mit, er zeigt fortlaufend an, ob es eine Störung gibt oder nicht. Solange ich diesen Monitor nicht ausschalte, umdrehe oder verdecke, kann ich die Signale aufnehmen und auf sie reagiere, in dem ich einen Gang zurückschalte, zum vorherigen Thema noch mal zurückkehre oder einfach frage, ob es noch eine Frage oder einen Nachtrag gibt.

 

Manche nennen diese Fähigkeit Sensitivität oder Sensibilität.  Diese Fähigkeit wird dann so behandelt als hätte man sie oder man hat sie eben nicht. In Wirklichkeit handelt es sich jedoch um eine erlernbare Fähigkeit.  Schauen Sie einfach hin: Körper, Mimik, Stimme sind ein Universum von Hinweisen!

 

 

 

*) Das englische Wort „rapport“ leitet sich vom  französischen Verb „rapporter“ her, was wiederum  zurückbringen  oder  sich beziehen auf“ bedeutet.

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