Kennen Sie den? Humor im Büro und die Folgen.

F.A.Z.; Sebastian Balzter – Selten so wenig gelacht wie in den letzten zwölf Monaten. Sechs Prozent weniger Wirtschaftsleistung, zehn Prozent weniger Exporte. Vier Millionen Arbeitslose bis zum Jahresende, geringere Gehälter und gestrichene Zulagen für alle anderen. Wie die Prognosen der Ökonomen kennen auch die Mundwinkel scheinbar nur noch eine Richtung: abwärts. Gestrichene Fortbildungen, Einstellungsstopps, Kündigungen vor Ablauf der Probezeit wirken fast schon harmlos. Statt um Talentförderung gehe es nur noch um arbeitsrechtlich saubere Aufhebungsverträge, berichtet der Personalmanager eines Chemieunternehmens. Und Werbeagenturen zählen die Kekse ab, die sie ihren Kunden beim Meeting servieren.

Nicht mal der bevorstehende Urlaub ist noch unbeschwerter Grund zur Freude. Eine Woche Uckermark, das geht gerade noch. Aber von der lang geplanten Reise ins Fünf-Sterne-Resort schweigt die Kollegin in der Kantine jetzt lieber.

Mit dem barocken Patriarch starb der Spaß

Vorbei die Zeit, als es in Mittagspausen zuging wie bei Gaudimax, der Schenkelklopfer-Show mit Gerd Rubenbauer. Vorbei die Zeit, als Hauptversammlungen unterhaltsam waren. In den achtziger Jahren stiegen Originale wie Hans Imhoff aufs Podium und machten mit flotten Sprüchen aus jedem Aktionärstreffen eine Karnevalssitzung: Wer die aktuellen Kennzahlen des Unternehmens richtig riet, den belohnte der legendäre Kölner Schokoladenfabrikant an Ort und Stelle mit einem Hundertmarkschein. Doch der barocke Patriarch ist gestorben, die Firma verkauft. Und die Vorstände sind, nicht nur in Köln, sprachlos geworden.

Vier von fünf Managern klagen einer Studie der Personalberatung Heidrick & Struggles zufolge über gestiegenen Leistungsdruck, jeder zweite arbeitet nach eigener Einschätzung mehr als vor der Krise. Mit zweifelhaftem Erfolg. „Unser Geschäftsmodell taugt nichts mehr“, habe ihm einer seiner Kunden gebeichtet, berichtet ein Frankfurter Kommunikationsberater. „Und was wollen Sie jetzt tun?“, lautete die Gegenfrage. Die Antwort war entlarvend: „Erstmal gar nichts.“

Welche Auswirkungen solche Schockstarre auf die Mitarbeiter hat, erlebt Maren Hessler Woche für Woche. Sie arbeitet nach frustrierenden Erfahrungen mit humorlosen Vorgesetzten jetzt als selbständige Beraterin für die „Wiedereinführung der Menschlichkeit im Unternehmen“, wie sie selbst sagt. Zu ihren wichtigsten Auftraggebern zählen seit Monaten die Banken, in denen der Bedarf an externen Fachleuten für „Change Management“ zu einer Art Dauerzustand geworden ist. „Oft gleichen die Sitzungen einer Gruppentherapie“, beschreibt Hessler ihre Eindrücke. Entweder beherrsche Aggression Körperhaltung, Gestik und Mimik der Banker – oder Resignation. Sie berichten ihr dann von Betablockern, von Burn outs, von Perspektivlosigkeit. „Aber wenn wir nur dasitzen und Trauerarbeit leisten, hilft das niemandem“, sagt Hessler.

Auf eigene Kosten kokettieren

Anstatt mit Zahlen, Daten, Fakten zu arbeiten, setzt sie deshalb auf den Funken, der die Gruppe zum ersten Mal seit langer Zeit wieder lachen lässt. „Das ist für mich eigentlich immer das Ziel.“ Einen Witz habe sie allerdings noch nie erzählt, das sei zu plump. „Stattdessen vertraue ich auf Improvisation und Intuition.“ Wenn einer stur nach einem Rezept gegen die Krise verlange, kokettiere sie etwa – durchaus auf eigene Kosten – mit der ihr zugemuteten Rolle der Krankenschwester. Manchmal fragen dann schon in der Kaffeepause Teilnehmer aus Nachbar-Workshops neidisch, was in Hesslers Gruppe denn so lustig sei. Dann weiß sie, es wird ein guter Workshop. „Aber ich schaff’s nicht immer.“

Was Lachen mit Unternehmens erfolg zu tun hat? Sehr viel, glaubt Hessler – weil erst nach dem befreienden Lachen Bewegung in die blockierten Köpfe komme. Die Gelatologie, so heißt die Wissenschaft vom Lachen, kommt noch zu ganz anderen Ergebnissen: Jedes Lachen nehme zwischen Zwerchfell und Augenbrauen rund 80 Muskeln in Anspruch, fördere die Lungenfunktion und die Durchblutung, stärke das Immunsystem und senke die Zahl der Stresshormone im Blut.

Der Saarbrücker Psychologieprofessor Rainer Krause, einer der angesehensten deutschen Emotionsforscher, warnt allerdings vor Schnellschüssen. Man könne Kranke nicht mit Lachtherapien heilen. Unter Gesunden allerdings sei Lachen der häufigste Affektausdruck – und der einzige, bei dem sich die Beteiligten ins Gesicht schauten. „Wir lachen, um die Aggressionen anderer abzuwehren und unsere eigenen zu kanalisieren“, sagt er.

Humoristisches Futter gesucht

Das sind krisenrelevante Funktionen, und der spaßbefreite Berufs- und Wirtschaftsalltag stärkt offenbar die Sehnsucht nach Reservaten des Lachens. Jedenfalls waren in diesem Frühjahr sowohl die „Psychotherapie-Wochen“ als auch die Jahrestagung des Arbeitskreises „Literatur und Psychoanalyse“ dem Lachen gewidmet waren. Zwischen Lübeck und Lindau haben sich mehr als 40 Lachclubs gegründet, deren Mitglieder nach einer indischen Yoga-Lehre das ganz und gar grundlose Lachen propagieren. Und die sieben größten deutschen Fernsehsender halten ihr Angebot in der Sparte konstant: Jeweils 76000 Minuten vermeintliche Komik haben sie nach Auskunft von Media Control 2007 und 2008 ausgestrahlt.

„Man müsste jetzt sogar noch viel mehr Witze machen als vor einem Jahr“, fordert der Kabarettist Christoph Sonntag folgerichtig. Erstens liefere die Krise viel humoristisches Futter, zweitens sei satirisch überhöhte Welterklärung gefragt. Sonntag muss es wissen: Er kommt aus Schwaben, der gebeutelten Autobauer Mercedes und Porsche wegen eine der Kernregionen der Krise. Der Konjunktur des Kabaretts tut das offenbar gut. „Unsere Buchungszahlen haben sich seit Beginn der Krise ungefähr verdoppelt“, überschlägt Sonntag.

Ob auch im Büro trotz schlechter Zeiten gelacht werden darf, hängt nach Christoph Sonntags Ansicht vor allem von den Vorgesetzten ab. „Viele Chefs haben Humor aber leider nie gelernt“, sagt er. Als handfestes Führungsproblem beschreibt Ali Wichmann dieses Manko. Der Gründer des Hamburger Unternehmenstheaters Scharlatan, das in seinen Produktionen auf der Basis von Mitarbeiterbefragungen typische Unternehmenssituationen aufs Korn nimmt, klärt zunächst die Begriffe. „Humor ist die Bereitschaft, andere über mich lachen zu lassen. Das gibt Handlungsspielraum.“

Es gehe nicht um ein ausgedehntes Witzrepertoire oder Büttenrednerqualitäten, sondern um eine Charaktereigenschaft. Und nur humorvollen Vorgesetzten nehme man auch schlechte Nachrichten ohne persönlichen Groll ab. So gehören Ernsthaftigkeit und Humor für Wichmann untrennbar zusammen. „Dass sich jemand seiner Position wegen das Lachen verbieten zu müssen glaubt, ist eine reine Schutzbehauptung, ein Zeichen mangelnder Kritikfähigkeit.“

Für Humor gibt´s kein Haurucktraining

Dass Lachen nicht gleich Lachen ist, kann die Zunft der Gelatologen eindrucksvoll nachweisen: 18 verschiedene Lachmimiken unterscheiden sie. Dass auch Humor nicht gleich Humor ist, weiß jeder, der im Büro unter dümmlichen Kalauern, ätzendem Zynismus oder aufgesetzter Fröhlichkeit ächzt und umgekehrt als verklemmt, spießig oder verbiestert gilt. Statt zum „gruppendynamischen Erfolgsrezept“ zu werden, das etwa der Wiener Ratgeberautor Gerhard Schwarz anpreist, entpuppt sich Humor dann als Quelle kaum zu lösender Konflikte – weil die Beteiligten nicht zulassen, dass über sie selbst gelacht wird.

Ein solches Defizit aber lässt sich, den einschlägigen Versprechungen von Humortrainern zum Trotz, nach Ali Wichmanns Meinung nicht im Hauruckverfahren ausgleichen. „Wer vorher nie Humor gezeigt hat, für den ist es jetzt, in der Krise, zu spät.“ Und für die lustige Verpackung von Hiobsbotschaften stehe seine Truppe nicht zur Verfügung. „Eine Entlassungswelle würden wir nie kommunizieren.“ Auch deshalb rechnet Wichmann für sein eigenes Unternehmen in diesem Jahr mit einem kräftigen Umsatzrückgang. Die Laune will er sich davon aber nicht verderben lassen. „Solange man nicht tot ist, kann man leben.“ Und lachen.

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Veröffentlicht in Arbeitsmanagement.

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