Ulrich Dewald – Nicht nur Google beweist: Die richtige Idee zur richtigen Zeit kann reich machen. Doch was sind die Voraussetzungen für kreativen Erfolg? Hirnforscher sind auf eine Reihe von Faktoren gestoßen, die nötig sind, damit Kreativität entsteht. Neben Intelligenz bestimmen äußere Umstände über Sein oder Nichtsein von Innovation.
Viele bekannte Unternehmer Wissenschaftler, Musiker oder Maler verdanken ihren Erfolg zündenden Ideen. Andere sind im Laufe ihres Lebens mit einer Serie immer neuer geistiger Innovationen die Erfolgsleiter hinaufgestiegen. In diesem Zusammenhang taucht immer wieder die Frage auf: Ist Kreativität planbar?
Zwar sprechen Künstler und andere Kreative manchmal vom Bauchgefühl, wenn sie von ihrer Arbeit erzählen, doch wahr ist natürlich: Kreativität entsteht im Kopf. Das heißt aber keineswegs, dass es ein Kreativitätsareal im Gehirn gibt, wie der Grazer Hirnforscher Andreas Fink in einem Beitrag in der Septemberausgabe der Zeitschrift „Bild der Wissenschaft“ erklärt. „Es ist stets ein Zusammenspiel mehrerer Zentren“, stellt Fink klar. Das haben Hirnscans von Freiwilligen gezeigt, deren Hirnaktivität beim Lösen kreativer Aufgaben Fink und seine Kollegen gemessen haben.
Einen großen Einfluss hat die Geschwindigkeit, mit der das Gehirn arbeitet: So ergaben Messungen der Hirnströme, dass ein eher langsamer Hirnrhythmus für kreative Prozesse hilfreich ist. Diese sogenannten Alphawellen sind beispielsweise bei Menschen messbar, die sich mit geschlossenen Augen Tagträumen hingeben. Das bedeutet jedoch nicht, das notorische Tagträumer kreativ seien, erklärt Fink: „Kreative Menschen sind vielmehr in der Lage, rasch zwischen niedriger und hoher Aktivierung hin und her zu wechseln.“
Genau dies geschieht beim kreativen Arbeiten. Dieser Prozess läuft nach den Erkenntnissen von Psychologen typischerweise in mehreren Etappen ab, in denen neben Träumereien auch Phasen extremer Konzentration auftreten, in denen vor allem die Intelligenz gefragt ist: Es beginnt mit einer Vorbereitungsphase, der die eigentliche kreative Erkenntnis folgt. Danach schließt sich eine Phase für die Auswertung der gesammelten Ideen an. Den Abschluss bildet die Ausarbeitungsphase, in der eine Strategie für die Umsetzung der Idee entwickelt wird.
Dieser typische Ablauf zeigt: Ohne Intelligenz gibt es keine Kreativität – ein Zusammenhang, den Psychologen in Tests bestätigt haben. So hing bei Untersuchungen der Intelligenzquotient zu einem hohen Grad mit der Kreativität zusammen und umgekehrt.
Doch auch äußere Faktoren bestimmen, ob sich kreative Potenziale entwickeln können. So haben Studien des Werdegangs von Nobelpreisträgern und anderen erfolgreichen Wissenschaftlern und Unternehmern gezeigt: Wer in einem intellektuell stimulierenden Umfeld aufwächst, hat größere Chancen, ein kreatives Potenzial zu entwickeln.
Das beginnt oft schon im Vorschulalter, wie der Leipziger Pädagoge Hans-Georg Mehlhorn erkannt hat: Gemeinsam mit seiner Frau Gerlinde hat er ein Netz privater Kindergärten, Vorschulen und Grundschulen geknüpft, die sich der kreativen Förderung von Kindern verschrieben haben. Singen, Tanz und Musik gehören dazu, Theater und kreatives Schreiben, mehrere Fremdsprachen, Informatik und naturwissenschaftliche Phänomene.
Diese Förderung funktioniert: Die Noten an den Mehlhorn-Schulen sind überdurchschnittlich, und auch in Intelligenztests ist der Erfolg abzulesen. „Hier schneiden unsere Schüler deutlich besser ab als die meisten Gleichaltrigen“, erklärt Mehlhorn.
Neben der frühen Förderung ist Erfahrung ein weiterer Faktor für Kreativität. Eindrucksvoll hat dies ein Team deutscher und schwedischer Psychologen bereits in den 1990er-Jahren in einer Studie mit Geigern der Berliner Hochschule der Künste demonstriert: Die erfolgreichsten unter den Studenten hatten am frühesten mit dem Geigespielen angefangen, ergab die Analyse. Mit zwanzig Jahren verfügten manche bereits über eine Erfahrung von 10.000 Stunden an der Geige. Naturtalente, die es ohne Übung zur Meisterschaft bringen, gibt es nicht.
Die Liste der Faktoren, die erfüllt sein müssen, dass Kreativität entsteht, ist damit jedoch längst nicht zu Ende: Auch die Persönlichkeit hat einen großen Einfluss darauf, dass gute Ideen entstehen und umgesetzt werden können. Als ideal haben sich dabei Persönlichkeiten erwiesen, die starke Gegensätze in sich vereinen: Gelassenheit und Ruhe trifft in ihnen auf unbändige Energie, Weltklugheit auf natürliche Naivität, Disziplin und Verantwortungsgefühl auf kindlichen Spieltrieb.
An diesen Gegensätzen leiden manche kreativen Menschen aber auch – einige zerbrechen daran. Das Klischee von Genie und Wahnsinn, die nahe beieinander liegen, trifft manchmal zu. Doch die Momente, in denen sich der kreative Geist in blendenden Ideen entlädt, können für den Kreativen zum höchsten Genuss werden. „Flow“ heißt der Gefühls- und Geisteszustand absoluter Konzentration, zu dem es viele, die ihn einmal erlebt haben, immer wieder hinzieht.
Kreativität wird schließlich auch durch das aktuelle Umfeld befeuert, in dem sich ein Mensch befindet. So gab es in der Geschichte immer wieder Städte, die für ihre kreativen Köpfe bekannt waren: Das Florenz des 15. und 16. Jahrhunderts oder Paris und Wien um 1900 waren ebenso solche Orte wie das Silicon Valley in Kalifornien, wo in den 1980er- und 1990er-Jahren Meilensteine der Computertechnik gesetzt wurden.
Kreative Menschen können wesentlich erfolgreicher sein, wenn sie von einem Geflecht von Mitstreitern umgeben sind, die ihre Ideen umsetzen und weitertragen. Der geniale Geist im stillen Kämmerlein darf nicht allein bleiben – sonst bleibt der Erfolg aus.