Ulrich Grannemann – Schlechte Laune führt zu schlechten Entscheidungen – und zwar dauerhaft! Denn Fehlverhalten wird gerne durch Wiederholung „gerechtfertigt“.
Dass unser emotionaler Zustand, z.B. Wut oder Ärger, unsere Entscheidungen beeinflusst, ist bekannt. Neu und erschreckend ist jedoch die Erkenntnis, dass sie dauerhaften Einfluss auf unser Verhalten haben.
Ärger, Angst, Stress und Druck bringen die Stirnlappen so zum Glühen, dass wir nicht in der Lage sind, die direkten Folgen, die Spätfolgen und Begleitschäden der Entscheidungen und Handlungen zu sehen, die in diesem Zustand getroffen worden sind (siehe Vortrag: Gelassenheit für Gehirnbenutzer). Im Augenblick des Handelns fühlen wir uns großartig. Die Schäden allerdings können über Jahre wirken und sogar die gesamte Karriere oder ein ganzen Leben prägen.
„Böse“ Entscheidungen können uns nachhaltig böse machen, das hat Prof. Dan Ariely von der Universität Durham (Buch: Denken hilft zwar, nützt aber nichts) mit einem einfachen Versuch nachgewiesen:
Eine Versuchsgruppe bekam einen ärgerlich machenden Film, die Vergleichsgruppe einen netten Film zu sehen. Danach wurde das, für die Verhaltensforschung wichtige, „Ultimatum-Spiel“ gespielt:
Der Geber hat 20 Dollar und schlägt dem Probanden ein Teilungsverhältnis vor. Dieses kann fair sein (10 zu 10) oder unfair (15:5 oder 19:1). Das Geld wird an beide nur ausgezahlt, wenn der Proband zustimmt. Bei rationaler Entscheidung müsste der Proband auch den einen Dollar nehmen, denn sonst hätte er null Dollar. Ein (emotional empfundenes) „unfaires“ Angebot kann der Proband aber auch bestrafen, indem er das Angebot ausschlägt, so dass dann beide nichts bekommen.
Was zu erwarten war
Zu erwarten war, dass die, die vorher den „bösen“ Film gesehen hatten, signifikant häufiger den Geber bestraft und auf den eigenen Nutzen verzichtet haben.
Stellen Sie sich vor, Sie erhalten – vielleicht sogar wiederholt – einen Anruf vom Kunden, in dem er sich über einen Mitarbeiter beschwert und Ärger macht. Oder Ihr Chef hat seinen Ärger an Ihnen ausgelassen. Wenn Sie in dieser Stimmung eine Entscheidung auf den Tisch bekommen oder ein Meeting stattfindet, dann sind wir schon mehr oder weniger „auf Krawall gebürstet“.
Was nicht zu erwarten war
Erschreckend, weil es so nicht zu erwarten war, ist aber folgendes Ergebnis: Mit den Probanden wurde viel später, als die Emotionen durch die Filme längst abgeklungen waren, wieder das Ultimatum – Spiel gespielt. Die Probanden, die vorher unter schlechter Laune die „Geber“ bestraft hatten, taten es auch jetzt noch!
Die Entscheidung wurde zum Muster. Einmal heftig entscheiden, immer heftig entscheiden, einmal brüskieren, immer brüskieren. Die Emotion löst es aus. Der Drang nach Konsistenz, nach Schlüssigkeit, führt zur Wiederholung.
Hilfe, der Chef hat schlechte Laune
Vor diesem Hintergrund machen Sätze wie „heute ist es besser, wenn Du dem Chef nicht über dem Weg läufst“ einen ganz anderen, tiefen Sinn.
Das heißt aber auch, dass Vorgesetzte und Unternehmenskulturen, die Angst, Ärger und Druck machen, Führungskräfte erzeugen, die nicht nur einmal, sondern wiederholt unberechenbar und „böse“ entscheiden. Damit ist aber auch der Weg aufgezeigt, wie Kulturen auf Menschen ansteckend wirken.
Dan Ariely empfiehlt bei schlechter Laune, lieber eine Nacht abzuwarten oder zumindest tief durchzuatmen und langsam von 10 oder von 10.000 zurück zu zählen, bevor Sie mit Mitarbeitern reden oder Entscheidungen treffen. Offenbar weiß auch die Bundeswehr über diese Mechanismen Bescheid: hier werden Beschwerden frühestens nach Ablauf von 24 Stunden nach dem entsprechenden Vorfall entgegen genommen.