„Führung? Dafür habe ich keine Zeit!!“

Ulrich Grannemann – Warum so viele Führungskräfte nicht führen. Sie glauben, dass sie keine Zeit haben, aber in Wirklichkeit fehlt es ihnen häufig an Motivation, Wissen und Mut. Unternehmen der Zukunft sind gefordert, hier die richtigen Signale zu setzen. 

„Was soll ich denn noch alles machen?“ Diese Killerphrase scheint unausrottbar, wenn es um das Führen von Mitarbeitern geht. Drei Hauptgründe sind dafür verantwortlich:
  1. Führungskräfte sind nicht und werden nicht motiviert.
  2. Führungskräfte wissen gar nicht, was Führung überhaupt ist.
  3. Führungskräfte vermeiden Führung, weil sie befürchten nicht mit den Reaktionen der Mitarbeiter klar zu kommen.
Die Motivation zum Führen fehlt
Führung ist das, was einen von der eigentlichen Arbeit abhält!
Der Mensch ist ein „Selbstwertgefühl-optimierendes-Wesen“, und Selbstwertoptimierung ist nicht unbedingt gleich Leistungs- oder Erfolgsoptimierung. Lob erhalte ich vom Kunden, Selbstbestätigung liefert meine geniale Fachlichkeit, mein Rang, Revier und mein Geld bekomme ich vom Chef. Und vom Mitarbeiter? Der  Mitarbeiter hingegen bedeutet für mich nur Ärger, wenn er nicht so funktioniert, wie ich mir das vorstelle.
Führungskräfte schießen viel zu gerne selber Tore, als sich daran zu erfreuen, dass die eigenen Mitarbeiter die Tore schießen. Anders als im Profifußball sind Führungskräfte fast ausnahmslos spielende Trainer (Spielertrainer). Und um im Bild zu bleiben – dabei muss sich die gute Führungskraft immer öfter selbst auswechseln, denn wie sollen die Mitarbeiter denn sonst lernen die Tore zu schießen?
 
Falsche Anreize –  Belohnungssysteme für Führungskräfte drehen sich um die Zahl der Köpfe
 
Warum ist das so? Weil sich fast alles um die Anzahl der Mitarbeiter dreht oder an der Anzahl hängt. Was ist sichtbar? Wie drückt sich Erfolg aus? Gehalt? Büro? Parkplatz? Zugehörigkeit? Alles das bekomme ich nur bei Erhöhung der Personalverantwortung, mit einer Erhöhung der Zahl der Köpfe.
Die Mitarbeiter müssen also häufig darunter leiden, dass Ihre Köpfe zählbar und somit Statussymbole ihrer Chefs sind. Das heißt aber auch, dass je mehr Arbeit ein Unternehmen in andere Formen der  Darstellung und Visualisierung von Erfolgen stecken würde, umso weniger müssten die Führungskräfte über den Umweg der Personalverantwortung belohnt werden. Oder andersherum, je weniger ein Unternehmen für andere Systeme sorgt, umso mehr schlechte Führungskräfte werden in die Führungsverantwortung „gezwungen“. Also genau dorthin, wo sie nicht gut sind und gleichzeitig auch noch den größten Schaden anrichten.
Gute Führung wird nicht belohnt und schlechte nicht bestraft
Hinzu kommt, dass Unternehmen gute Mitarbeiterführung zu wenig belohnen und schlechte Führung so gut wie nie bestrafen (vor allem, wenn die Zahlen stimmen).  Außerdem lassen die meisten Führungskräfte in Ihrem Alltag den Dringlichkeitszwerg (Führung ist nur wichtig, wird aber erst dringend, wenn es schon zu spät ist) gegen die Dringlichkeitskönige wie Kunde, Chef und Lieblingsprodukte und –inhalte antreten. Kein Wunder, dass das Gespräch über Arbeit mit dem Mitarbeiter schnell den Kürzeren zieht.
Ein weiterer Verstärkereffekt dieser Strukturen: Die Personalentscheidungen werden von Unternehmens­führern getroffen, die aber nicht unbedingt auch gute Mitarbeiterführer sind oder waren, auch wenn sie es selbst anders sehen. Fast alle Unternehmensführer halten sich für gute Mitarbeiterführer. Denn schließlich müssen sie doch gut sein, denn Ihr Erfolg ist doch der Beweis!
 
 
Viele Führungskräfte wissen gar nicht, was Führung überhaupt ist.
Viele Führungskräfte wissen gar nicht, dass sie eigentlich überhaupt nicht führen. Sie halten „nett sein“ und „Probleme lösen“ für Führung und sie finden sich auch noch richtig gut dabei. Vor 15 bis 20 Jahren mag diese passive und reagierende Art der Führung noch ausgereicht haben. Damals war die Geschwindigkeit in der Veränderung von Strukturen, Prozessen und Fähigkeiten noch nebenher zu bewältigen. Dieses führen aus dem Bauch, führen mit gesundem Menschenverstand, reicht heute alleine nicht mehr aus.
Führen heißt über Arbeit nachzudenken und zu reden, nicht über Inhalte nachzudenken und zu reden. Aufgaben durchreichen, Lösungen korrigieren, Meetings leiten ist nur ein Teil der notwendigen Führung.
Führen heißt vielmehr über die Art und Weise der Arbeit nachzudenken und zu reden,
als über die Inhalte der Arbeit.
Neben dieser täglichen Führung, in der es um Inhalte geht, in der sich Fachlichkeit und Führung mischt (darum lässt sich hier der Führungsanteil nicht genau messen) steht die eigentliche, die reine Führung.
Reine Führung schafft die richtigen Rahmenbedingungen für die Arbeit
In der reinen Führung geht es um die Aufrechterhaltung und den Ausbau der Rahmenbedingungen der Arbeit: Stimmen die Aufgabenpakete und deren Größe, ständige Verbesserung der Kooperationsregeln, der Entscheidungsregeln und Entscheidungs­prozesse, Kenntnis und Ausbau der Arbeitszufriedenheit, stetige Verbesserung der Fähigkeiten usw..
Viele Führungskräfte führen erst dann, wenn die Passivität Probleme und Krisen hervor gebracht hat. Dann werden Blut- und Tränengespräche geführt, die Personalabteilung gerufen oder aber auch das wird einfach nur ausgesessen.
Die Unternehmen der Zukunft werden den Führungskräften Werkzeuge der reinen Führung zur Verfügung stellen. Führungsseminare mit Persönlichkeitsentwicklung und Kommunikation für Führungskräfte werden nicht ausreichen. Manche Unternehmen beginnen Teile der Werkzeuge verpflichtend zu machen. Bei manchen Unternehmen ist das Mitarbeitergespräch (MAG) zu einem Zielvereinbarungs- und Bonusgespräch reduziert worden. Bei anderen wird der verpflichtende Teil, vom MAG ausgehend, weiter ausgebaut.
Meiner Schätzung nach, liegt der Anteil reiner Führung bei der Mehrzahl der Führungskräfte gerade mal bei ein bis zwei Prozent. Das entspricht zwei bis vier Arbeitstage pro Jahr. Wer jedoch in der normalen Führungssituation 10 Prozent seiner Zeit für reine Führung einsetzt, dessen Erfolg wird nicht mehr aufzuhalten sein.
 
Die Angst vor den nicht berechenbaren Reaktionen der Mitarbeiter
Führungskräfte führen notwendige, öffnende Mitarbeitergespräche undFeedbackgespräche nicht, weil sie nicht wissen, wie Sie mit den möglichen Reaktionen umgehen sollen. Auch wenn es wahrscheinlich ist, dass nichts „passiert“, lässt das Unbewusste ständig Vermeidungsstrategien entwerfen und ausführen.
Neue Führung ist aktiv, offen und mutig
Die neue Führung muss den Umgang mit Klagen, Jammern, Aggression, Schmerz, Trauer, Rechtfertigung und Verweigerung trainieren. Erst wenn die Führungskraft sicher mit solchen Reaktionen umgehen kann, wird sie zunehmend offene und schwierige Gespräche angehen und den klärenden Lohn dafür empfangen.
Die neue Führung in Organisationen braucht nicht härtere Führungskräfte, sondern aktivere, offenere und mutigere Führungskräfte.
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Veröffentlicht in Allgemein.

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