Welchen Reifegrad als Führungskraft haben Sie?

Ulrich Grannemann – In die Führungsaufgabe starten wir nicht als fertige Führungskraft. Wir wachsen hinein, werden mit jeder Erfahrung souveräner und besser. Vier Stufen oder Reifegrade lassen sich unterscheiden. Hinweise darauf, in welcher Stufe oder Phase wir uns als Führungskräfte befinden und in wie weit wir auf dem Weg sind, können uns die inneren Kernfragen geben, die wir uns stellen. Jede Phase braucht ihre Zeit und ihre eigenen Hilfsmittel, Werkzeuge und Überlegungen. Die inneren Kernfragen allerdings leiten unsere Wahrnehmungen und Entscheidungen



Innere Kernfragen

 

In jeder Phase stehen andere innere Schwerpunktfragen im Vordergrund.

 

 

Folgende Situation:

 

Sie sitzen in einem Meeting mit Chef, Kollegen und Mitarbeitern. Einer Ihrer Mitarbeiter präsentiert gerade über den Stand des derzeit wichtigsten Projektes in Ihrem Verantwortungsbereich. Welches ist vermutlich die Frage oder der innere Dialog, die bzw. der als erstes Ihre Wahrnehmung beeinflusst?

 

  1. „Hoffentlich blamiert der Mitarbeiter mich und meine Gruppe nicht. Hoffentlich fällt das nicht auf mich zurück.“
  2. „Das nächst Mal sollten noch weitere Zahlen mit in die Präsentation kommen. Wir bekomme ich den Mitarbeiter dazu, dass er das selbständig macht?“
  3. „Wie motiviert ist der Mitarbeiter eigentlich? Da ist auch die eine oder andere Störung. Die Beziehung könnte besser sein.“
  4. „Wie kann ich ihm helfen, sich noch mehr zu verwirklichen? Wie kann ihn inspirieren, sich noch mehr mit dem Unternehmen und Aufgabe zu identifizieren?“

 

 

Natürlich spielen auch andere Fragen eine Rolle. Die Auslöser und Aufgaben orientieren sich nicht nach der Entwicklungsphase, in der eine Führungskraft steckt, sondern kommen aus allen Bereichen. 

 

Reifegrade als Führungskraft im Überblick

 
Die vier Reifegrade
 
 
Vier Phasen oder Reifegrade lassen sich wie folgt unterscheiden: In der Startphase geht es um Akzeptanz, um das Finden in der neuen Rolle, das Gewinnen der richtigen Haltung. Noch fühlt sich die Aufgabe fremd an. Phase zwei steht im Zeichen des Führungshandwerkes, auf der Ebene der Ziele, Aufgaben und Ergebnisse. Es geht um Delegation, Steuerung der Prozesse, Ziele und Projekte. In Phase drei wird der Blick frei auf die Stabilität und Robustheit der Beziehungen und der Arbeitszufriedenheit und Motivation der Mitarbeiter, Team und Kompetenzentwicklung beginnen eine Rolle zu spielen. Phase vier ist das, was in der amerikanischen Literatur gemeinhin unter Leadership verstanden wird: Der charismatische, inspirierende, der in die Zukunft führende Chef, der glaubwürdig und ehrlich Visionen und Werte vermittelt. Der die richtigen Strategien setzt und sie motivierend mit geschickten Veränderungsmanagement in die Tat umsetzt.
 
Wie lange braucht eine Phase?
 
Das Durchlaufen aller Stufen ist nicht zwangsläufig. Manche verbleiben zum Beispiel auf der ersten Ebene, bringen es dort jedoch bis zur Perfektion. Wie lange diese Phasen durchschnittlich brauchen, ist schwer zu sagen. Einen schwachen Hinweis gibt es jedoch. Viele der Führungskräfte sagen, dass man im Grunde nach zwei bis drei Jahren das Führungsseminar noch mal besuchen könnte. Das ist ein Hinweis darauf, dass sich in dieser Zeit der Fragenfokus völlig verändert und durch einen neuen Satz von Fragen ersetzt wird.
 
Was sagt der Reifegrad aus? Was nicht?
 
Der Reifegrad sagt nichts über Ihre Eignung als Führungskraft oder Ihre Führungs-Fähigkeiten aus. Es beschreibt die „Baustelle“ auf der Sie gerade beschäftigt sind. Auch dürfen Sie Ihren Reifegrad nicht mit dem Reifegrad Ihres Bereiches verwechseln. Sie können Chef von einem „Entwicklungsland“ geworden sein, mit wenig Infrastruktur, gestörter Gruppendynamik und mangelnder Veränderungsflexibilität. Oder Sie haben eine hochentwickelte „Volkswirtschaft“ übernommen, die lange ohne Ihre Führung weiter laufen könnte.
 
Das Konzept der Reifegrad soll Sie in doppelter Weise entspannen. Sie müssen nicht alles auf einmal können. Und Sie müssen nicht auf einmal alles lernen. Konzentrieren Sie sich auf Ihre „Baustelle“ und auf das, was es dort zu lernen gibt, ohne dabei auf den Blick jenseits Ihres derzeitigen Lernbereiches zu verzichten.
 
Was gibt es zu Lernen?
 
In der Stufe 1 brauchen Sie Gespräche mit Führungskräftekollegen, Gedanken und Klärung Ihrer Rolle. Was ist Ihre Aufgabe? Stichwort wie Führungsauftrag, Persönlichkeitsentwicklung, das richtige Maß zwischen Unter- und Überforderung finden, sich von Führungsmythen verabschieden, nicht Beweisen-Wollen was Sie nicht sind und auch nicht sein müssen. Klären Sie Ihre Beziehungen und gegenseitigen Erwartungen gerade mit den Mitarbeitern, die länger dabei sind, älter oder erfahrener sind als Sie.
 
In Stufe 2 brauchen Sie Werkzeuge und Instrumente, die Ihnen helfen, die richtigen Delegationspakete zu schnüren und nach zu halten. Die Zeit des „System-Bauens“, ähnlich der Zeit in den ersten Berufsjahren, in denen Sie ihr Aufgaben- und Zeitmanagement-System aufgebaut haben. Sie brachen das Knowhow, Meetings und Sitzungen zu leiten, dafür zu sorgen, dass die besten Ideen nach oben kommen, ohne sich die Aufgaben wieder zurück delegieren zu lassen.
 
In der Stufe 3 bekommen die Gespräche mit Ihren Mitarbeiter (aber auch Chefs) eine andere Prägung und Tiefe. Es geht um die stetige Verbesserung der Beziehungen, der Arbeitszufriedenheit und Fähigkeiten. Das Jahresgespräch ist das nur der erste Anfang.

In der Stufe 4 brauchen Sie ähnliche Werkzeuge wie das Top-Management, die Unternehmensleiter und Geschäftsführungen. Sie sind dann Unternehmer im Unternehmen, mit den eigenen Visionen und magnetischer Anziehungskraft, wenn man eine Welt schafft, der man angehören möchte.
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Veröffentlicht in Arbeitsmanagement.

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