Am Arbeitsplatz geben sie alles – und finden oft nicht das rechte Maß. Das Risiko, zusammenzuklappen, ist bei engagierten Mitarbeiter besonders groß.
Andreas Heimann – Chronischer Stress kann gefährlich werden. Im schlimmsten Fall halten Arbeitnehmer die alltägliche Dauerbelastung im Hamsterrad nicht mehr aus. Burn-out-Syndrom ist der Name für dieses Phänomen, sich ständig abzumühen und den eigenen Ansprüchen dennoch nie gerecht zu werden. Mit Burn-out ist nicht zu spaßen: „In schweren Fällen sind die Betroffenen sogar suizidgefährdet“, sagt Frank Berndt. „Häufig geht an einer stationären Behandlung in einer Klinik dann kein Weg vorbei“, so der Führungskräftetrainer.
Burn-out gibt es schon lange. Es hieß nur nicht immer so, war nicht so verbreitet und wurde früher nicht groß diskutiert. Anders geworden sei das erst, als über Burn-out-Probleme von Prominenten wie Spitzensportlern oder Bundesligaspielern berichtet wurde, sagt Dirk Windemuth vom Institut Arbeit und Gesundheit der Deutschen Unfallversicherung (DGUV) in Dresden. „Das war damals ein Tabubruch.“ Offen mit dem Thema umzugehen, sei ausgesprochen wichtig, sagt Nicole Truckenbrodt. Das gilt auch am Arbeitsplatz: Wenn sich dort keiner traut, Schwächen zu zeigen, steige das Risiko, irgendwann zusammenzuklappen, so die Beraterin aus Feldkirchen-Westerham (Bayern).
Gerade engagierte Arbeitnehmer sind betroffen
Dabei ist es auch im Interesse der Arbeitgeber, dass es nicht soweit kommt. Denn bei einem akuten Burn-out fällt nicht einfach nur ein Arbeitnehmer aus: „Es ist ein Problem der besonders Engagierten“, sagt die Psychotherapeutin Anne Katrin Matyssek aus Düsseldorf. „Es betrifft gerade die Dynamischen, Begeisterungsfähigen, Flexiblen, genau die, die eigentlich jeder Arbeitgeber haben will“, ergänzt Nicole Truckenbrodt, „diejenigen, die im Betrieb alles geben.“ Sie haben nur nicht alles im Griff. Ihnen fehlt, in ihrer Leistungsbereitschaft das rechte Maß zu finden – und die Fähigkeit zur Selbstbeobachtung: Sie bemerken ihre Probleme oft gar nicht.
Frank Berndt kennt das Thema aus zwei verschiedenen Perspektiven: „Vor zwölf Jahren war ich selbst betroffen“, erzählt er. „Da hat’s mich geradezu zerbröselt.“ Inzwischen berät der Trainer aus Neuburg an der Donau Führungskräfte – auch zum Thema Burn-out. „Burn-out kommt nie plötzlich“, sagt Berndt. „Das ist eine Entwicklung über Monate, manchmal Jahre hinweg.“ Die Betroffenen verdrängen, welche Gefahren ihnen drohen. In gewisser Hinsicht ist das ein Teil des Problems: „Sie beißen die Zähne zusammen und machen weiter wie zuvor“, sagt Beraterin Truckenbrodt.
Nein sagen lernen
Für Burn-out gibt es keinen eigenen Diagnoseschlüssel wie für andere Krankheiten. „Es wird auf dem Krankenschein nicht erfasst“, sagt DGUV-Experte Windemuth. Deshalb gibt es auch keine verlässlichen Zahlen darüber, wie viele Menschen in Deutschland darunter leiden. Das macht das Sprechen darüber schwierig: Wichtig sei aber, dass Burn-out-Gefährdete zuzugeben lernen, verletzbar zu sein, statt zu glauben, immer der starke Held sein zu müssen, sagt Nicole Truckenbrodt.
Wer unter akutem Burn-out leidet, ist nicht mehr fähig zu arbeiten. Und er braucht dann wirklich eine Auszeit: „Keine Mails, keine Telefonate, nichts, was an Arbeit erinnert“, sagt Psychotherapeutin Matyssek. Hinterher einfach in den Beruf zurückzukehren, ist meist keine Lösung. Tipps wie „Man muss Nein sagen lernen“ hält Frank Berndt dann zwar für hilfreich – aber nicht für ausreichend. „Das bleibt an der Oberfläche“, sagt der Trainer. Um das Problem auf einer tieferen Ebene anzugehen, muss geklärt werden, was die eigentliche Ursache der Überforderung ist. „Zu viel Arbeit ist es nicht“, sagt Berndt.
Perfektionsstreben erhöht die Burn-out-Gefahr
Jedenfalls nicht allein: Denn ein Burn-out-Syndrom entstehe nie nur wegen äußeren Drucks. „Burn-out ist immer ein System, bei dem innere und äußere Entwicklungen zusammenwirken.“ Langfristig lasse sich nur etwas gegen die Überforderung tun, wenn man nach den inneren Ursachen fragt: „Warum sagt jemand immer wieder „Ja“, obwohl er Feierabend machen müsste?“ Die Angst, andere zu enttäuschen, stecke oft dahinter – oder der starke Wunsch, Karriere zu machen. „Ausgeprägtes Perfektionsstreben erhöht die Burn-out-Gefahr“, sagt Dirk Windemuth von der DGUV. „Wer immer alles ganz richtig machen will, der muss fast zwangsläufig häufiger das Gefühl haben, das nicht zu schaffen.“ Und gerade auf unsichere Persönlichkeiten, bei denen die Burn-out-Gefahr erhöht ist, könne das dann Druck ausüben.
Die beste Prävention gegen die Ausbildung eines Burn-out-Syndroms ist Windemuth zufolge funktionierende soziale Unterstützung im Job. Wer dort Freunde und Kollegen hat, die einem unter die Arme greifen, wenn es stressig wird, kann manches wegstecken, was andere umwirft. Grundsätzlich seien solche Probleme lösbar – im Zweifelsfall mit Hilfe eines Psychotherapeuten, sagt Windemuth. „Voraussetzung ist allerdings, dass man möglichst früh beginnt.“