Nicht loben kostet viel Geld

Wenn Fleiß nicht belohnt wird, nimmt die Psyche Schaden


Zusammenhang von Lob und Krankheit

Ausbleibende Belohnungen in der Arbeitswelt können zu schweren psychischen Erkrankungen, Depressionen oder gar Tötungsabsichten führen.


Seelische Belastungen haben körperliche abgelöst

Eine neue Studie des Institutes für medizinische Soziologie in Düsseldorf belegt: Im modernen Arbeitsleben haben seelische Belastungen die körperlichen abgelöst. Warum die Zahl psychischer Störungen stetig steigt.

?Ich werde noch härter arbeiten?, ist der Leitspruch des Pferds ?Boxer? in George Orwells Fabel ?Farm der Tiere?. Als Dank für ein Leben voller Arbeit im Dienste der Gemeinschaft landet der alte Gaul schließlich beim Abdecker. Dabei wollte er doch nur einen Platz im Stall und einen Sack Hafer auf seine alten Tage.

Der naive Boxer, das Sinnbild des ausgebeuteten Arbeiters, weiß nicht, wie ihm geschieht. Bei menschlichen Arbeitstieren jedoch, die meist nicht ganz so uneigennützig sind, führen ausbleibende Belohnungen dagegen oft zu schwerwiegenden psychischen Erkrankungen, zu Depressionen, manchmal sogar zu Selbsttötungsgedanken. ?Wenn zur Verausgabung bei der Arbeit noch fehlende Anerkennung hinzukommt, gerät der Mensch in eine so genannte ?Gratifikationskrise‘?, erklärt Johannes Siegrist, Direktor am Institut für medizinische Soziologie in Düsseldorf.


Soziale Reziprozität und Gratifikationslücke

Der Wissenschaftler konnte in zahlreichen Studien zeigen, dass eine solche Belohnungskrise sowohl körperliche als auch psychische Erkrankungen zur Folge haben kann. Zum Beispiel sei das Risiko, an einer Depression zu erkranken, innerhalb von fünf bis sechs Jahren nach einer Belohnungskrise doppelt so hoch wie zuvor. ?Der Mensch möchte seiner Natur nach etwas zurückbekommen für seine Leistungen – das ist der Grundsatz der sozialen Reziprozität?, so der Professor. Nichtsoziologen nennen das auch: ?Wie du mir, so ich dir?.

Kommt die Gegenleistung nicht, fehlt zum Beispiel die angemessene materielle oder soziale Anerkennung, löst das Belohnungszentrum im Gehirn eine Stressreaktion aus. Wenn dieser Enttäuschungsstress zum Dauerzustand wird, können Gehirn- und Körperfunktionen Schaden nehmen. Auch ein überhöhter Anspruch an sich selbst, gepaart mit Unsicherheit, sei riskant. Diese ?Getriebenen? stürzen sich selbst möglicherweise in eine Belohnungskrise, da für Überengagement kaum Belohnungen vorgesehen sind. Wer aber besonders viel und gut arbeitet, möchte dafür das ihm Zustehende zurückbekommen.

Ein Kernproblem bei der Entwicklung vieler psychischer und körperlicher Krankheiten sei das verletzte gesellschaftliche Tauschverhältnis, so Siegrist. Wenn Angestellte heute über fehlende Wertschätzung ihrer Arbeitgeber, über soziale Kälte klagten, dann sei das ein Symptom dafür, dass dieses ?uralte, vermutlich evolutionär verankerte Prinzip? der gesellschaftlichen Gegenseitigkeit verletzt werde.


Psychische Störungen von Platz 7 auf 4

Seit dreißig Jahren wächst die Zahl der Krankheitstage aufgrund psychischer Störungen. Während Depressionen, Angststörungen und Suchterkrankungen Anfang der neunziger Jahre noch den siebten Rang unter den Krankheitsgruppen einnahmen und vorher nahezu bedeutungslos waren, bilden sie inzwischen nach dem ?BKK-Gesundheitsreport 2007? die viertwichtigste Krankheitsgruppe und verursachen 8,9 Prozent der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeitstage. Ein Hauptgrund dafür dürften die neuen Anforderungen in einer sich wandelnden Arbeitswelt sein.

Wettbewerbsdruck und unsichere Beschäftigungsverhältnisse verstärken die seelische Anspannung von Berufstätigen. ?Aus körperlichen Belastungen am Arbeitsplatz sind psychische geworden?, sagt Siegrist. ?Der chronische Stress geht regelrecht unter die Haut.? Schlaflosigkeit, Leistungsabfall und Kopfschmerzen treten auf.

Wirtschaftliche Kosten: 70 bis 100 Milliarden Euro

Die wirtschaftlichen Kosten solcher psychischen Defizite sind beträchtlich. Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation WHO zufolge beliefen sich diese im Jahr 2007 auf 70 bis 100 Milliarden Euro. Nach dem Gesundheitsbericht des Bundes verursachten im Jahr 2006 psychische Erkrankungen 22 Milliarden Euro an Krankheitskosten. Durch die krankheitsbedingten Produktionsausfälle entstanden im selben Jahr 3,8 Milliarden Euro Schaden, schätzt die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin.

?Wir haben hier ein ganz neues Feld vor uns, wachsend und immer noch größtenteils unbekannt. Psychosoziale Belastungsfaktoren sind leider lange nicht so greifbar wie Asbest, doch auch sie gefährden die Gesundheit des Arbeitnehmers?, sagt Robert Rahn vom Landesamt für Arbeitsschutz in Berlin.


Störungen bei Arbeitslosigkeit

Ein Ursache für diese Störungen sind die Arbeitszeiten. Ein scheinbarer Widerspruch dazu ist seine Beobachtung, dass es ?frischen? Arbeitslosen zunächst einmal sehr gut gehe. ?Natürlich ist da erst einmal der Schock, doch dann tritt bei vielen eine Art ?Urlaubseffekt‘ ein?, erläutert der Psychologe. ?Sie genießen ihre neue Freiheit, verschönern vielleicht ihr Haus und machen sich voller Hoffnung an die Arbeitssuche.?

Wenn diese dann allerdings nicht innerhalb eines Jahres erfolgreich ist, beginnen erst die Schwierigkeiten. ?Die negativen Auswirkungen von Arbeitslosigkeit auf Psyche und Körper sind extrem hoch. Das belegen zahlreiche Langzeitstudien.? Wieder können schwere Depressionen, sogar Suizidgedanken oder die Kompensation der Schwierigkeiten durch Suchtmittel die Folge sein. Aus der psychischen Schieflage folgen oft auch körperliche Krankheitssymptome wie Bluthochdruck oder Migräne.

Daher sei es, so Frese, auch aus sozialpsychologischer Sicht wichtig, die Arbeitslosen mit allen Mitteln dazu zu bewegen, eine neue Aufgabe zu finden. ?Zu seinem eigenen Schutz sollte die finanzielle Unterstützung eines Langzeitarbeitslosen stark gekürzt werden, wenn er sich nicht um einen Job bemüht beziehungsweise Stellen ablehnt?, sagt Frese. Strengt sich ein Arbeitssuchender dagegen wirklich an, sollte er auch auf längere Zeit hin genügend Unterstützung erhalten.

Denn Geld ist – dem Sprichwort zum Trotz – ein enorm wichtiger Faktor beim beruflichen Glück eines Menschen, glaubt der Medizinsoziologe Siegrist, zusammen mit der Möglichkeit zu freier Entfaltung, Arbeitsplatzsicherheit, realistischen Karrierechancen und nicht zuletzt der Anerkennung durch Kollegen, Familie und Chef.

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