Dr. Wolfgang Hartmann – Nüchternheit statt Klagen, Transparenz statt Verschleierung – gerade in Krisenzeiten muss ein Unternehmer den richtigen Ton treffen. Sieben Grundsätze können dabei helfen.
In Zeiten von Rezession und Kurzarbeit, Auftragseinbrüchen und möglichen Entlassungen kommt für Unternehmer noch ein weiteres Problem hinzu: Wie erkläre ich die Lage meinen Mitarbeitern und Kunden, meinen Zulieferern, Bankberatern und Führungskräften? Wie finde ich die richtige Antwort auf die Frage, ob es denn Auftragseinbrüche gebe, wie stark man betroffen sei und ob man Entlassungen ins Auge fasse? Ist es besser, die tatsächliche Lage schöner zu reden, als sie ist, um Mitarbeiter und Kunden bei Laune zu halten, oder macht sich ein düsteres Szenario besser, damit man die Mitarbeiter rechtzeitig auf Opfer einstellt? Mit der Maßgabe, einfach realistisch zu kommunizieren, ist es in der Praxis meist nicht getan: Soll man wirklich jeden verlorenen Kundenauftrag sofort im Unternehmen bekanntmachen? Soll man andeuten, dass man Entlassungen nicht ausschließt, auch wenn sie zurzeit noch gar nicht konkret angedacht sind? Wie viel Unsicherheit darf sich der Mann an der Spitze leisten etwa mit dem Eingeständnis, dass er die Lage auch nicht sicher einzuschätzen weiß? Kommunikation in solchen Phasen ist ein äußerst sensibles Geschäft.
Dass es in Unternehmen einen fast triebhaften Reflex gibt, die Lage in wirtschaftlichen Krisenzeiten mit einem stark optimistischen Unterton darzustellen, hat ja seine Gründe. Jede schlechte Nachricht kann verheerende Wirkungen entfalten: Wichtige Führungskräfte schauen sich anderswo im Markt um; Kunden bestellen nicht mehr, weil sie befürchten müssen, dass nicht mehr geliefert werden kann; bei Gesellschaftern mögen Zweifel am Chef selber aufkommen, ob er der richtige Mann für diese schwierigen Zeiten ist; vor Banken und Geldgebern machen die schlechten Nachrichten auch nicht halt. Das Negative füttert das Negative. Eine durchaus berechtigte Sorge – vor allem wenn sich später herausstellt, dass die größten Befürchtungen sich nicht bewahrheitet haben und das Unternehmen die Talsohle ziemlich unbeschadet verlassen konnte. Eine zu optimistische Darstellung hingegen macht notwendige Strukturmaßnahmen (Kurzarbeit, Investitionsstopps, Produktbereinigungen, Standort-Schließungen) so gut wie unmöglich und kann deshalb genauso kontraproduktiv sein.
Der Umgang mit negativen Nachrichten fällt auch gestandenen Unternehmern schwer, konnten sie sich doch jahrelang im Glanz positiver Wachstumsnachrichten sonnen. Schlechte Nachrichten werden per se erst einmal als persönliche Niederlage, als Schatten auf der makellosen eigenen Erfolgsgeschichte erlebt. Dabei ist der Nimbus des erfolgreichen Krisenmanagers – wir sehen das etwa an Helmut Schmidt – nachhaltiger und positiver als jedes andere Image. Erst der, der ein Unternehmen auch durch rauhe Fahrwasser zu steuern versteht, genießt wirklich Respekt. Im derzeitigen Umfeld ist in jedem Unternehmen der Krisenmanager gefragt, der, der ernste Situationen erkennt, sie nicht verharmlost und der die Firma nicht in Ohnmacht und Agonie abdriften lässt, sondern angemessene Maßnahmen ergreift. Das verlangt Nüchternheit statt Klagen, Transparenz statt Verschleierung, Aktionen statt Abwarten, Management statt Treibenlassen. In dieser Balance liegt schon das Geheimnis erfolgreicher Kommunikation. Es geht im Kern gar nicht darum, ob eine Nachricht schlecht oder gut ist, sondern ob die Schlussfolgerungen, die der Unternehmer daraus zieht, Verlässlichkeit, Kompetenz und richtige Einschätzung der Lage widerspiegeln. Deshalb kann man Unternehmern nur „Mut auch zu schlechten Nachrichten“ empfehlen, wenn die Kommunikationspolitik grundsätzlich sieben eisernen Regeln folgt:
Erstens: Die Unternehmensleitung muss ihre Kommunikation sachlich, nie emotional ausrichten. Das erfordert auch vom Unternehmer: Nie emotional werden, sondern Tatsachen, Informationen und Bewertungen in großer Nüchternheit, eben als Manager, kommunizieren.
Zweitens: Die Kommunikationspolitik muss zeitlich sauber strukturiert sein: Klarer Rhythmus der Kommunikation kann etwa bedeuten, die Führungskräfte wöchentlich, die Mitarbeiter einmal im Monat über die Wirtschafts- und Auftragslage zu unterrichten. Davon sollte man sich, wenn immer möglich, auch nicht durch eine brodelnde Gerüchteküche oder wild wuchernde Vermutungen abbringen lassen. Schon mit einem solchen Rhythmus wird Verlässlichkeit ausgestrahlt und zeigt der Unternehmer Führung.
Drittens: Die Botschaften an Mitarbeiter, Kunden, Investoren oder Zulieferer müssen absolut sauber durchformuliert sein: Zwischen den Aussagen, „weitere Auftragseinbrüche seien nicht auszuschließen“, „weitere Auftragseinbrüche seien nicht zu erkennen“ und „es gibt keine weiteren Auftragseinbrüche“ – was alles den gleichen Tatbestand beschreiben mag – bestehen jeweils gewaltige Unterschiede.
Viertens: Die Unternehmensleitung muss aktives Agenda-Setting betreiben, das heißt selbst die Themen festlegen, die sie kommunizieren will – sonst bleibt sie stets Gefangener des Vermutungs- und Gerüchtekarussells. Gleichzeitig muss sie diejenigen Themen definieren, die der Vertraulichkeit unterliegen – etwa Finanzierungsfragen, Lieferverträge, ungeklärte Personalia.
Fünftens: Kommunikation in einer Krise muss immer lösungsorientiert sein: Der Information folgt die Bewertung, der Bewertung folgen die Konsequenzen, den Konsequenzen die Maßnahmen, den Maßnahmen die Definition der neuen Lage. Informationen ohne diese Systematik schaffen unklare und potentiell gefährliche Wahrnehmungslagen.
Sechstens: Kommunikation muss die Krisenstufen deutlich widerspiegeln, die man gedanklich einteilen kann etwa in Farbwerte: Grün, Gelb, Orange, Rot, Schwarz. Jeder Stufe sind bestimmte Konsequenzen, Maßnahmen und Schlussfolgerungen zuzuordnen. Zu jeder Stufe gibt es Kommunikationsbausteine, die nur für diese Stufe gelten. Das Wort „Zuversicht“ etwa taucht nur in den Phasen „Grün“ bis „Orange“ auf, das Wort Krise beschreibt ausschließlich die Phasen „Rot“ und „Schwarz“. Ein solches System schafft saubere Eskalationsstufen, Verlässlichkeit und Transparenz.
Siebtens: Kommunikation in der Krise muss human, verständnisvoll und weniger technokratisch als normal sein. Sie darf andererseits nicht mitleidsvoll sein, sondern muss dem Grundsatz folgen: Ein Unternehmer ist nicht dazu da, Menschen zu bemitleiden, sondern Schicksale zu managen.
Der Unternehmer muss das Instrumentarium beherrschen, auch schlechte Nachrichten professionell zu managen. Jeder Unternehmer wird sich ganz persönlich fragen müssen, ob er das kann. Oder ob er diese Fähigkeit, idealerweise mit einem Kommunikationsberater an der Seite, entwickeln kann. Ansonsten ist er vielleicht ein Schönwetterkapitän, aber nicht der Mann für schwierige Zeiten.
kkk