Wie viel Prozent meiner Arbeitszeit muss ich mindestens für Führung aufwenden?
Ulrich Grannemann, 2008 – Dazu müssen wir zunächst definieren, was wir unter Führung verstehen. Eine sehr knifflige Frage. Darum gibt es auf die Zeitfrage keine mir bekannten Antworten. Ich möchte es trotzdem versuchen:
Eine erste Unterscheidung lautet: Ich mache entweder
- Reine Führung
- Mischführung oder
- Nichtführung
Zur Nichtführung gehören alle Tätigkeiten, die grundsätzlich auch ein Mitarbeiter tun könnte. Ich bin hier mein eigener Sachbearbeiter. Das Bemühen muss sein, diesen Bereichen jeden Tag etwas kleiner werden zu lassen (siehe Delegation). Kurzfristig wird der Umfang dieses Bereiches von Ressourcenausstattung und Auftragsannahme bestimmt; mittel- und langfristig von der Delegationsneigung und der Fähigkeit der Führungskraft, die Kompetenzen der Mitarbeiter zu entwickeln.
Zur Mischführung gehören alle Meetings, Besprechungen, Präsentationen mit Mitarbeitern, Chefs und Kunden, in denen fachliche und führende Tätigkeiten (Entscheiden, Erlauben, Delegieren, Moderieren etc.) nicht wirklich trennbar sind (Vergleiche: Basiskalender einer Führungskraft). Die Größe dieses Bereiches wird im wesentlichen von Kooperations- und Kommunikationsaufwandes der Aufgaben und Projekte bestimmt, aber auch vom Delegationsstil (Wie stark kann die Führungskraft loslassen?; Situatives Führen) und der Moderations- und Steuerungsfähigkeit, die hilft Friktionen zu vermeiden und schneller zu guten Lösungen und Ergebnissen führt.
Reine Führung
schafft die Rahmenbedingung für erfolgreiches Arbeiten und hält sie aufrecht. Zwei Bereiche lassen sich auf erster Ebene unterscheiden:
1.1. Führung, die Rahmen herstellt, wieder herstellt oder auflöst.
1.2. Führung, die erfolgreiche Arbeit aufrecht erhält.
Zum ersten Bereich gehören die Führungstätigkeit, die Arbeitsverträge herstellt, verändert oder auflöst. Dazu gehören auch, die Fragen bezüglich Entlohnung, Eingruppierungen etc. (siehe Tabelle „To Do Liste der Führungskraft“). Dieser Anteil geht auf null, wenn alles normal läuft. Jede Erweiterung meines Bereiches, jeder Umbau oder Störung lässt diesen Bereich anschwellen. Es sind die aufbauenden, umbauenden und reparierenden Aufgaben. Kennzeichen ist ihre Fallbezogenheit oder Auslöserabhängigkeit, im Gegensatz zu den regelmäßigen reinen Führungstätigkeiten (1.2.).
To Do List der Führungskraft
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Schätzungen
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1.1. Führung, die Rahmen herstellt, wieder herstellt oder auflöst |
1.1.1. Arbeitsrechtliche Veränderungen |
Begründungen
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Einstellungen und Gespräche
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8-16
6-12
3-6
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Änderungen
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Gehaltsanpassungen, Umgruppierungen
Arbeitszeit – Änderungen
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6-12
6-12
6-12
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Auflösungen
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Ermahnungen
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3-6
3-6
6-12
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1.1.2. Rahmen -wiederherstellende Führung |
Aufgaben, Projekte, Abläufe, Programme
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Neue Aufgabengruppen
Neue Großprojekte
Neue Abläufe
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3-6
3-6
3-6
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Fähigkeiten
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Langfristige Anpassung von Fähigkeiten, langfristige Entwicklungspläne
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1-2
2-4
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Beziehungen
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Konfliktschlichtung, Klimaverbesserung Mobbing, Teamentwicklung
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8-12
8-16
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Motivation
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Workshops bei Veränderungsprozessen
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1-3
8-16
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1.2. Führung, die erfolgreiche Arbeit aufrecht erhält. |
1.2.1. Aufbau der Führungs-infrastruktur: Einmalige Investitionen als Grundlagen der regelmäßigen Führung
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Grundlagen
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Zielchart
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2
2-4
1-4
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Delegations-vorbereitung
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Leitchart
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1xn
8-16
8-16
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Gesprächsvorberei-tungen
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Einführung der Zwischengespräche
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8-16
4xn
Summe:
52 h |
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1.2.2. Jahrestätigkeiten und -termine |
Vorgesetzte: Rahmen, Ziele und Ressourcen
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Budgetierung
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8-16
8-16
8-16
2-4
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Kunden/Kollegen: Positionierung
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2-6
2-6
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Mitarbeiter: Ziele und Aufgaben
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2-4xn
2-4xn
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Mitarbeiter: Kompetenzentwicklung
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1-3
1-2
1-3
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Mitarbeiter:
Beziehungen/Team
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Teamjahrestreffen
Jahresworkshop
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8-16
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1.2.3. Zwischen-gespräche: Turnus: mind. alle drei Monate |
Zwischengepräche/ 4 Punkte-Gepräche mit den Mitarbeitern
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1.Projekte und Aufgaben 2.Beziehung
3.Motivation 4.Fähigkeitenentwicklung
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4x1xn
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Zwischengespräche mit VG, Kunden; Kollegen
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Stand
Verbesserung
Qualität der Beziehung
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4x1xn
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Mit der obigen Analyse und Ordnung der Führungstätigkeiten kommt man zumindest zu einem ersten Orientierungswert:
Daumenregel: mindestens 10 Prozent reine Führung. Je nach Situation (Reorganisation, Krisen) kann sich der Anteil aber schnell auf 20 Prozent erhöhen
Das sind bei 220 Arbeitstagen ca. 22 bis 44 Arbeitstage.
*Kunden- und Kollegengespräche“ tragen die gleiche Grundidee, wie die Mitarbeiter- und Vorgesetztengespräche.