Umgang mit überzogenen Forderungen von Mitarbeitern

Ulrich Grannemann – Was tun, wenn Mitarbeiter Führungskräfte unter Druck setzen?


Die Symptome

Das Symptombild reicht von ausweichenden, unfreundlichen Verhaltensweisen und Stimmungslagen bis hin zu manipulierenden und erpresserischen Druckmustern durch den Mitarbeiter:

  • Ihr Mitarbeiter geht zu Ihrem Vorgesetzten, wenn Sie mal einen Tag nicht da sind, um Sie gegeneinander auszuspielen
  • Vorwürfe und Druck: „Sie haben doch…“, „Wann machen Sie endlich…“
  • Moralischer Druck: „Ich habe zu Hause…und Sie…“
  • Kleine, aber auffällig gezielte Arbeitsverweigerungen und Krankmeldungen
  • Stimmungsmache und Intrigen im Team
  • und viele Manipulationsmuster mehr

Die innere Berechtigung
 
Der Mitarbeiter mit einer massiv nach außen getragenen Forderung hat ein Gefühl der inneren Berechtigung für diese Forderung. Was der Führungskraft als Impertinenz und „Chuzpe“ erscheint, ist aus der Sicht des Fordernden völlig in Ordnung und ist das Mindeste, was man verlangen können muss. Er ist völlig von der Richtigkeit der Forderung überzeugt. Von dieser Überzeugung kommt die Kraft und Energie, mit der die Forderungen inszeniert werden. Den Forderungen stehen also immer (vermeintliche) Berechtigungen gegenüber. Es ist daher selten erfolgreich, wenn Sie sich mit dem Mitarbeiter über Bewertungsgrundlage und Bewertungshöhe dieser Bilanzpositionen streiten.
 

Typische Beispiele für innere Berechtigungen
 
Innere Berechtigungen entstehen zumeist auf folgender Grundlage:

  • Sie, die  Führungskraft, haben in der Vergangenheit Forderungen nachgegeben
    (Sie haben den „kleinen Finger gereicht“, nun wird die Hand eingefordert. Denn Ihre Mitarbeiter haben gelernt: „Man muss nur richtig Einfluss nehmen, dann ist da auch was drin“),
  • nicht erfüllte Erwartungen aus der Vergangenheit: Beförderungen, Umgruppierungen, nicht abgeschlossene Veränderungsprozesse und andere Demotivationspunkte
  • Machtgefühl der Unersetzbarkeit und Unkündbarkeit als Grundlage
 
Das Problem mit diesen inneren Berechtigungen ist, dass jede Forderungsabweisung Ihrerseits die innere Realität Ihres Mitarbeiters abwertet und nur eine weitere „Rabattmarke“ schafft. Das Gefühl der inneren Berechtigung verstärkt sich ("Das steht mir einfach zu. Das habe ich verdient. Jetzt erst recht!"). Die nächste „Waffenkategorie“ wird vorbereitet, die Situation eskaliert weiter.
 

Daher lautet der Erste Schritt: Akzeptieren Sie die innere Realität des Mitarbeiters!
 
Eine der Regeln aus den Leitlinien der Benediktiner (mit rund 15 Jahrhunderten Überlebensdauer, die ältesten bekannte „Unternehmensleitlinien der Welt“) lautet: „Empöre Dich nicht über unbotmäßige Forderungen der Novizen. Sei gnädig und nachsichtig“.
 

Zweiter Schritt
: Ein „Klima“-Gespräch
 
„Klima“-Gespräch meint: Sie reden nicht über das konkrete „Wetter“, d.h. hier die konkreten Forderungen, sondern über die Gesamtlage (Arbeitsbeziehung, Stimmung, Gemütsverfassung…), sie reden über das „Klima“. Das Ziel ist ein „Klimawandel“, und der braucht Zeit.  
 
Beispiele für mögliche Formulierungen:
 
„Die Ereignisse x und y (ein, zwei Beispiele für konkretes, beobachtetes Verhalten, keine Vermutungen/Interpretationen nennen) bringen mich dazu zu versuchen, mit Ihnen unsere Arbeitsbeziehung wieder auf neue Füße zu stellen.“
 
„Meine Vermutung ist, dass es hinter der Forderung noch weitere, andere Dinge stehen, die Sie gestört, geärgert haben oder Ihnen ein „Dorn im Auge“ sind. Diese Punkte möchte ich gerne mit Ihnen erstmal nur erfassen und sammeln. Auf der anderen Seite möchte ich Ihnen meinen Problemdruck, meine Verantwortung und Entscheidungsspielräume aufzeigen“
 
Lassen Sie sich nicht entmutigen, falls der Mitarbeiter schon zu diesem Zeitpunkt (z.B. mit einer emotionalen Wiederholdung der Forderung) das Gespräch abbricht. Der Mitarbeiter braucht Zeit, die neue Sichtweise und Frage zu verarbeiten. Lassen Sie jedoch keinen Zweifel daran, dass Sie mit dieser Frage wieder auf ihn zukommen werden.
 
 
 
Grundidee des Gespräches
 
Die Grundidee dieser möglichen Gesprächsform ist es, den Blick in drei Richtungen zu erweitern:

1. Schritt in die Versachlichung ("Welche Punkte genau?")
2. Erweiterung auf mögliche, andere Punkte aus der Vergangenheit, die Gründe für eine allgemeine
    Unzufriedenheit und die Ursache für das Symptom der Forderungsstellung sein
    können
3. Den inneren Berechtigungen wird der Verantwortungs- und Entscheidungsraum der Führungskraft
    (A.V.E.) gegenüber gestellt.
 
 
Die Lösung liegt auch hier in der Integration von zwei, nicht immer widerspruchsfreien Aufgaben: Einerseits den Mitarbeiter da abzuholen wo er ist und eine Welt zu schaffen, in der es sich gern und gut arbeiten lässt, und andererseits nicht zu vergessen, dass der Kernauftrag der Führungskraft darin besteht, für die Einhaltung der Arbeitsverträge zu sorgen.
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Veröffentlicht in Effizienz.

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