Führen in der Krise

Ulrich Grannemann, Roland Gruber, 2008 – Die sich anbahnende Rezession wird wohl Auswirkungen auf vermutlich alle Variablen unseres Lebens haben. Was wird sich verändern? Und welche Aufgaben haben wir als Führungskräfte in dieser Situation? Wie können wir persönlich damit umgehen? Die wichtigsten Do´s(D) und Dont´s (N).  

„Shifting Baselines“
 
An der Oberfläche ist für die meisten alles so wie sonst. Das Weihnachtsgeschäft läuft so gut wie im letzten Jahr. Der Einzelhandel ist zufrieden. Und gleichzeitig Meldungen wie: Auftragsrückgänge um 40 Prozent, BMW vorzeitig in die Ferien, Kurzarbeit bei Daimler. Medien und Politiker malen düstere Zukunftsbilder. Was sich dort unter der Oberfläche vorbereitet, ist der Sozialpsychologie als „shifting baseline“ bekannt. Die Bewertungslinie verschiebt sich schleichend. (Diese Linie verschiebt sich nicht bei allen gleich schnell: Ein Mitarbeiter geht in die Gehaltsverhandlung mit der Frage: „Was können Sie mir bieten?“ Antwort des Vorgesetzten: „Einen Job!“)
 
Der Wunsch nach heilsbringenden Autoritäten steigt
 
Krisen erhöhen die Bereitschaft, Hilfe von Autoritäten zu erwarten, eine „Infantilisierung“: zurück in Mutters Schoß oder an Papas starke Schulter. Damit steigt der Anspruch an die heilsbringenden Eigenschaften der Führungskraft. Die Bewertungskriterien ändern sich. Die Führungskraft, die in der Steinzeithöhle das Miteinander gut organisiert, ist nicht immer die, die gut auf eine Bedrohung reagiert. Aber auch die Führungskräfte, die gut sind im Jagen von Mammuts, machen nicht immer eine gute Figur. Sie sind zwar gewohnt schnell zu reagieren, aber unter dem Vorzeichen des Gewinnen-, des Erreichen-Wollens, nicht unter den Vorzeichen der Bedrohung.
 

Was Sie nicht tun sollten:
 
N1. Fallen Sie nicht in alte Ursprungsmuster
 
Unter Druck reagieren alle ähnlich: Jede Führungskraft hat die Tendenz in die Tätigkeit zurück zu fallen, die er am besten kennt, beherrscht und sich am sichersten fühlt. Jeder macht das, was er am besten kann (Alle Staatslenker, von Bush über Merkel bis Sarkozy, handeln konsequent in ihren Mustern). Prüfen Sie Ihre eigenen Reaktionen. Fallen Sie nicht einfach in alte sichere Urmuster. Die können richtig sein. Müssen Sie aber nicht.
 
N2. Entmachten Sie nicht Ihre Mitarbeiter
 
Bedrohung macht schnell Zeitdruck. Delegation kostet am Anfang Zeit. Also werden weniger Arbeitspakete delegiert und mehr Mach-Mal-Aufträge verteilt und ausgerufen. In einer Studie gaben 68 Prozent der Befragten an, dass ihre Führungskräfte in der Krise autoritärer werden. Mitarbeiter können schnell punktuelle Eingriffe in bisherige Autonomien generalisieren und in eine allgemeine Unterverantwortung gehen, die Ihnen zunächst nicht einmal auffallen wird.
 
N3. Vermeiden Sie Angst-Machen in Phasen der Wut
 
Wenn Druck und Ohnmacht mit Frust zusammenkommt, entlädt sich das Gefühl der Wut, als Energie in der Gegenwart etwas zu ändern, in Angst auslösenden Drohungen wie: „Ihr werdet schon sehen, was Ihr davon habt, wenn Eure Arbeitsplätze weg sind.“
 
N4. Sparen Sie nicht am falschen Ende
 
Krise hat das Streichen von Geldern zur Folge. Die Liquidität muss gesichert werden. Wenn Querbeet gespart wird, werden nicht nur die kurzfristig operativen Aktivitäten erfasst, sondern auch die langfristigen, strategischen Programme. Dann wird nicht Ballast abgeworfen, sondern man schraubt am Fahrwerk und zerstört Fundamente, Motivation und Arbeitsfähigkeit, die ja gerade in der Krise nötig gebraucht werden. Bereiten Sie sich aktiv auf den Spardruck vor, der von oben kommen wird. Erstellen Sie ein Portfolio Ihrer Leistungen, die Sie dem Unternehmen bieten. Was ist von operativer, was von strategischer, fähigkeitserhaltender Art?
 
 
 
Was Sie tun sollten:
 
D1. Schaffen Sie Realitätsbezug zwischen Panik und Verharmlosung
 
Das Dilemma liegt in der Aufgabe, auf der einen Seite auf das vorzubereiten, was passieren könnte, auf der anderen eine Paralyse auf Grund von der Zukunftsangst zu vermeiden. Eine düstere Zukunft zu zeichnen („ Zieht Euch warm an!“) bedroht und macht Angst. Wir schützen uns davor, indem wir
verdrängen, das heißt den Blick auf das, was passieren könnte nicht zulassen. Die Verdrängung oder Verleugnung verhindert die innere Vorbereitung auf das, was kommen könnte.
 
 
D2. Bereiten Sie sich selbst auf die Veränderungen vor
 
Das, was wohl nur das Maß der inneren Unruhe und Angst steigern kann, ist der vorzeitige Abbruch von Negativfantasien. Sie denken: „Oh Gott, ich könnte meinen Arbeitsplatz verlieren.“  Wenn Sie in diesem Augenblick nicht weiter denken, weil es Ihnen sehr unangenehm wird, wird es Ihr Unbewusstes für Sie weiter tun. Ja was, kann dann weiter passieren? Kann sein, dass Sie Kredite nicht bedienen können? Sie müssen Ihr Haus/Wohnung verkaufen? Sie können Ihren Standard nicht halten?
Was wäre denn das schlimmste Szenario, der Super-GAU (GAU für Größter anzunehmender Unfall) für Sie persönlich? Und was würden sie dann tun?
Schieben Sie den Nebel und die Dunkelheit beiseite, denn die gebären nach Goya Gespenster und Geister, die in Ihrer Seele Ihr Unwesen treiben. Haben Sie keine Angst den Stein umzudrehen, auch wenn Sie Asseln darunter vermuten. Ein großer Teil dieser diffusen inneren Angst entsteht durch das Festhalten an Dingen, die uns nicht wirklich jemals gehört haben, sondern uns auf Zeit geschenkt wurden.
 „O.K. es ist vielleicht nicht besonders schön, aber so etwas wie innere Ruhe entsteht nur, wenn Sie das Schlimme zu Ende gedacht haben.“
 
 
D3. Seien Sie ehrlich zu Ihren Mitarbeitern
 
92 Prozent der Befragten einer Studie aus 2003 halten Wahrhaftigkeit und Ehrlichkeit für die wichtigste gewünschte Führungseigenschaft. Also: kein Verleugnen, Verharmlosen, Verdrängen, Beschwichtigen. Keine Versprechungen! Und erst recht nicht die Gunst der Stunde nutzen und Bedrohen und Panik verbreiten. Weder die rosarote Brille, noch die Angst-Paralyse (Totstellreflex) sind in dieser Situation wirklich hilfreich.
Ihre Mitarbeiter brauchen einen vernünftigen Realitätsbezug, müssen bereit sein (mit Ihrer Hilfe) verschiedene Zukunfts-Szenarien gedanklich durchzugehen. Lassen Sie sich nicht in die Rolle der Übermutter/des Übervaters drängen. Wir wissen nicht was kommt. Aber wer keine Szenarien macht, ist auf Nichts vorbereitet.
 
D4. Nutzen Sie die Chancen
 
Diese Krise wird aufgrund der medienwirksamen Geschwindigkeit, mit der sie angekündigt wird, auf jeden Fall die Vorspannung auf Veränderung enorm erhöhen. Woche für Woche wird die ganze Menschheit auf kommende Veränderung sensibilisiert. Wir bereiten uns (und zwar eher unbewusst) auf den Abschied vom Bisherigen/Gewohnten vor. Dies ist die Zeit, sich Großes vorzunehmen!
 Und im riesigen Windschatten dieser Veränderungsbereitschaft werden viele Veränderungen durchführbar, die vorher nicht durchführbar waren. Um ein altes Fussballer-Wort abzuwandeln: Vor der Krise ist nach der Krise.
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Veröffentlicht in Arbeitsmanagement.

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