Streitkeulen – K.O.-Waffen in Konflikten

Michael Schmidt – Konflikte entstehen, weil wir uns bedroht fühlen in unseren Ansprüchen, Erwartungen und Besitzständen. Und so reagieren wir auf Angriffe mit einer wichtigen Instanz: Unserem Zwischenhirn – und das zückt die Streitkeulen.

In unserer Kindheit fühlten wir uns in Konfliktsituationen immer wieder hilflos und ohnmächtig. Also haben sich die Menschen im Laufe ihres Wachstums- und Reifungsprozesses verschiedene Methoden und Werkzeuge erschaffen, um sich im Konfliktfall zu verteidigen, zumindest nicht zu verlieren oder gar als Verlierer aus einer Auseinandersetzung hervorzugehen. Die Grundform aller dieser Werkzeuge ist die DU-Botschaft. DU-Botschaft bedeutet, dem anderen zu vermitteln, wie er sich verhalten oder sein sollte bzw. sich ändern sollte, damit der Konflikt beigelegt werden kann. Gestisch entspricht die DU-Botschaft dem Zeigefinger, mit dem ich auf andere oder (weil das unhöflich ist) nach oben oder unten oder zur Seite deute, um meine Botschaft zu verstärken.
Oftmals sind diese Botschaften auch gut gemeint in dem Sinne, dass man andere unterstützen möchte, eine Lösung für ihren Konflikt zu finden. Dennoch entfalten sie meist die Wirkung, die Kurt Tucholsky treffend mit den Worten beschrieben hat: Das Gegenteil von gut ist gut gemeint. Die klassische DU-Botschaft ist der Vorwurf, möglichst pauschaliert und garniert mit Worten wie „immer“, „nie“ oder „typisch für dich …“. Es gibt jedoch noch weitere Streitkeulen, auch solche, die auf den ersten Blick gar nicht so aussehen:
1.     Die Analyse-Keule
Oft beginnt der Einsatz dieser Keule mit den Worten: „Dein Problem ist, dass Du …“. Sie beschreibt interpretierende und diagnostizierende Verhaltensweisen, bei denen der Anwender der DU-Botschaft meint zu wissen, wie der andere tickt und wie er sich anders verhalten sollte.
2.     Die Moralkeule
„Als Mitarbeiter, Fachmann (… Rolle wahlweise einsetzen) solltest Du wissen.“ „ Das kann man wohl von Dir erwarten.“ „Das musst Du gerade sagen, mit Deinem Lebenswandel …“. Hier wird die Keule der überlegenen Moral, der Predigt oder des Einklagens von Verpflichtungen geschwungen.
3.     Die Drohkeule
Als Kollege: „Wenn Du das nicht sein lässt, dann …“, oder „wenn ich Dich noch einmal bei … erwische, dann sage ich das dem Chef!“ Als Vorgesetzter: „Wenn Sie noch ein einziges Mal vergessen, mich zu informieren, dann haben Sie bei mir ein schweres Leben!“ Ich maße mir an, den Anderen maßregeln und in Angst versetzen zu dürfen. Bei Vorgesetzten ist es oft nicht leicht, eine berechtigte Ermahnung von einer Drohung zu unterscheiden. Anhaltspunkt: Eine Ermahnung sollte immer dem Verstoß angemessen sein.
4.     Die Spottkeule
„Sie können ja auch Ihr Geld mit Taxi fahren verdienen.“
Sie wird unter dem Einsatz von Spott, Ironie, Sarkasmus oder Ablenkung geschwungen, und immer schön von oben herab.
5.     Die Ratschlagkeule
„Das musst Du so und so machen…“
„Ratschläge sind auch Schläge“, lautet eine Beraterweisheit. Ratschläge werden dann zu Keulen, wenn sie unerbeten, von oben herab und aus einer besserwisserischen Haltung gegeben werden.
6.     Die Kritikkeule
„Kannst Du nicht mal einmal dafür sorgen, dass….. „
Kritik wird dann zur Keule, wenn sie in Form von Schimpfen, Verurteilen, klein machen oder in unverhältnismäßiger Weise geäußert wird.
7.     Die Trostkeule
„Das Leben geht weiter“ oder „ Ist doch alles nicht so schlimm“! Solche Trost- Floskeln können auch zur Keule werden, wenn sie gerade nicht zum Erleben der Person passen, die getröstet werden soll und diese sich dadurch sogar eher auf den Arm genommen bzw. oberflächlich behandelt fühlt.
8.     Die Autoritätskeule
„Ich erwarte Sie um Punkt 17.00 Uhr in meinem Büro.“ Sie tritt in allen unangemessenen und nicht zur Situation passenden Formen von befehlen, bestimmen, ausfragen, verhören und schimpfen auf.
 
Reaktion auf der gleichen Ebene
Die Du-Botschaft ist eine erste, schnelle Reaktion um sich zu schützen, sich zu  Ent-Schuld-igen, sich zu exkulpieren. Sie kommt aus dem Zwischenhirn und zielt auf das Zwischenhirn des anderen. Der Begriff der steinzeitlichen Keule passt also sehr gut. Sie haben nicht selten starke Wirkung, auch wenn die Wirkung nur kurzfristig ist und ein Menge von negativen Nebenwirkungen mit sich bring, wie Eskalation oder Verlust der Beziehungsqualität.
 
Achtung: Hier kommt eine Keule
Das Wichtigste: Die Keule als Keule erkennen und den Schlag ins Leere gehen lassen, indem Sie zur Seite treten. Und es verschafft die nötige Ruhe, um stimmlich ruhig zu bleiben und inhaltlich eine Frage zu formulieren, die nach Wunsch oder Absicht des anderen zielt.
Der Rat lautet also: Seien Sie nicht schlag-fertig!

Quelle:

Streiten will gelernt sein:
Die kleine Schule der fairen Kommunikation

Simone Pöhlmann und Angela Roethe
ISBN-13: 978-3451054549

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Veröffentlicht in Können.

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