Führungserkenntnisse in der Kommunalen Selbstverwaltung

Ein Gastbeitrag von Wilfried Kruse (2012). Führung ist eine „Kunst“ – Grundlagen und Ausprägungen sind grundsätzlich vielfach durchdrungen und untersucht, Führungssysteme, -modelle, -mechanismen, -typologien pp. sind so zahlreich dargestellt und beschrieben, dass jeder/jede Führende eigentlich für seinen „Tagesbetrieb“ alles wissen könnte/müsste – eigentlich…

So ist es natürlich nicht, und die Theorie macht für sich allein noch keine Praxis, sonst bräuchte es ja keine Führungsberatung, Coachings, Changemanagements und andere erfolgreiche und notwendige Geschäftsmodelle und Dienstleistungen.
 
„Führungskunst“ lässt sich bisweilen für den praktischen Tagesbetrieb auch einmal in wenigen – konsequent einzuhaltenden – Essentials darstellen und – mit Verlaub und ein wenig augenzwinkernd – auf „Rheinische Art“ beschreiben und komprimieren, wenn denn der/die Führende
 
die eigenen Eitelkeiten/narzisstischen Neigungen nur in überschaubarem Maß entwickelt sowie eine ausreichende Portion Humor und Selbstironie hat und einzusetzen weiß,
 
sich den Respekt vor den Mitmenschen im Sinne der 10 Gebote Moses – gemeint ist das mit der Nächstenliebe…- bewahrt hat – signifikante Grundeinstellung dazu: der Pförtner verdient ebenso Respekt im Rathaus wie der Oberbürgermeister,
 
die eigene Rolle weniger im Sinne von „Macht“ und deren (täglicher) Demonstration,      sondern vor allem als nachhaltige Möglichkeit sieht,    konstruktiv gestaltenden und entscheidenden Einfluss auszuüben.
 
Wer das denn so versteht, kann mit den nachfolgend so genannten „5 kleinen Weisheiten“ seinen Führungsalltag für sich, aber besonders auch für seine Mitarbeiter/innen und seinen Dienstherrn schon ganz gut bewältigen, weitere und weitergehende Erkenntnisse und Ideen (authentische Kommunikations- und Anerkennungskultur, pp,) können das Führungsgeschäft natürlich weiter und individuell „krönen“. Es empfiehlt sich, ein solches kleines „Regierungs-/Weisheitsprogramm“ auch ausdrücklich und – wenn nötig – mehrfach zu kommunizieren:
 
 
 
„Kleine Weisheit“ Nr. 1: – Keine Terminkalenderlügen!          
 
Mitarbeiter/innen erhalten kurzfristig einen Termin, wenn sie ein Problem haben, das auf der „Seele“ brennt. Das eigene Vorzimmer wimmelt niemanden ab und behauptet, das der Chef/ die Chefin so furchtbar viel zu tun habe, dass es erst in 3 Monaten geht… – was meist sowieso nicht
stimmt! Notfalls ist der Kontakt auch sofort möglich.
 
 
„Kleine Weisheit“ Nr. 2: – Ohne Lösungsvorschlag geht nichts und das Weiterdenken nicht einstellen!
 
Wer denn mit dem Problem zum Termin kommt, muss immer mindestens einen, besser mehrere, alternative Lösungsvorschläge im Gepäck mitbringen; wer das als Mitarbeiter/Mitarbeiterin nicht tut, geht erst einmal wieder zurück, sucht und findet einen solchen Vorschlag und kommt dann wieder.
 
Und:
 
Wer über eine zunächst gemeinsam (Chef und Mitarbeiter/in) gefundenen Entscheidung nach erneutem Nachdenken z.B. nachts nicht schlafen kann, weil doch noch weitere Bedenken oder Sichtweisen auftauchen, der muss sich am nächsten Tag wieder melden und das Thema noch einmal ansprechen. Das lässt sich übrigens auch z.B. schon aus den Beamtengesetzen ableiten: Der Beamte berät und unterstützt seinen Vorgesetzten (§ 35 Beamtenstatusgesetz).
 
Und wenn dann eine andere als die am Vortag schon abgesegnete Entscheidung getroffen wird, darf man das als Chef dann nicht als eigene Schwäche missverstehen, sondern dankbar sein für solch intensives Mitdenken des Teams und dies auch ausdrücklich einfordern und anerkennen.
 
 
„Kleine Weisheit“ Nr. 3: – Kein Ideenklau durch den Chef!
 
Wird nach gemeinsamer Beratung der mitgebrachte Lösungsvorschlag realisiert, bleibt das „Copyright“ nach Außen zum nächsten Vorgesetzten, zur Politik, zu den Medien pp. bei dem, der den Vorschlag erdacht und mitgebracht hat. Entscheidend ist, dass der/die Führende nicht als „Softwarepirat“ auftritt, sondern die Größe hat, Erfolge auch zu teilen oder/und seinen Mitarbeitern zuschreiben zu lassen.
 
 
„Kleine Weisheit“ Nr. 4: – Entscheiden und Unterscheiden lassen!
 
Den Mitarbeitern/innen klarmachen, dass man Ihnen ausdrücklich zutraut und sie dazu auffordert, auf ihrer Ebene die nötigen Entscheidungen die jeden Tag anstehen, auch lösungsorientiert und mutig zu treffen (nicht die Akten, die Verfahren als solche pflegen und den „Morgen zum Abend schieben“). Im weiteren die Überzeugung vermitteln, dass sie auch unterscheiden können, was man selbst als Führungsverantwortlicher entscheiden oder vor einer Entscheidung wissen sollte, damit nicht der nächste Vorgesetzte, die Politik, die Öffentlichkeit pp. unnötig spekulieren muss, ob man denn wirklich weiß, was im „eigenen Laden“ vor sich geht…
 
 
„Kleine Weisheit“ Nr. 5: – Kritik perspektivisch positiv und nur unter vier Augen!
 
Wenn es denn berechtigte Kritik oder Fehlleistungen gibt, unter 4 Augen thematisieren und wenn eben möglich mit positivem Ausgang und Zeichen für die Zukunft besprechen; gemeinsame Bereitschaft erarbeiten, einen Fehler gegenüber Dritten auch gemeinsam zu tragen und Verantwortung nicht abschieben.
 
 
Das Ergebnis konsequenter „kleiner Weisheiten“
 
Wer das denn so – und ggf. angereichert durch weitere eigene Erkenntnisse – als Führungskraft konsequent durchhält und sich und sein Team so organisiert und täglich führt, wird folgendes erleben:
 
 
Die eigene Arbeit macht größeren Spaß,
 
weil man zunehmend dankbare, loyale und fleißige Mitarbeiter/innen um sich scharen kann und sie ihre Fähigkeiten und Talente richtig und angstfrei entwickeln können,
 
weil man Mitarbeiter/innen im wohlmeinenden Sinne zum selbständigen Denken „erzieht“,
 
weil man bisweilen schwierige Entscheidungen Risiko mindernd leichter im Lichte eines mitgebrachten ersten Vorschlages ggf. auch anders entscheiden kann,
 
weil man Transparenz und Offenheit der eigenen Mannschaft erfährt und stressreduziert sogar „genießen“ kann,
 
weil die Mitarbeiter/innen das manchmal vorhandene politische oder/und organisatorische „Glatteis“ nicht noch hämisch „bohnern“ sondern „abstreuen“…
 
 
 
Die Arbeit macht den Mitarbeitern/innen größeren Spaß,
 
weil sie mit ihrem Chef/Chefin wie mit einem „normalen Menschen“ reden und beraten können,
 
weil Sie die Bereitschaft spüren, mit Problemen nicht allein gelassen zu werden,
 
weil sie offensiv, fair und ehrlich behandelt werden,
 
weil Ihnen Erfolge zuerkannt und „gegönnt“ werden,
 
weil sie sich als Mitarbeiter/innen geschätzt und ernst genommen fühlen.
 
 
 
Daraus der Versuch einer „Kleinen rheinischen Conclusio“:
 
 
Führung kann mit wenigen konsequenten täglichen Grundeinstellungen gut gelingen; die Mechanismen sind in Verwaltung, Unternehmen, Vereinen, Verbänden – ja auch in Familien – nicht sehr weit unterschiedlich und besonders dann erfolgreich, wenn sie authentisch, menschenorientiert, und mit Respekt vor dem Nächsten agiert und wahrgenommen wird.
 
Auch im Weiteren mit der täglichen Erkenntnis, dass man selbst auf dem Erdenrund nur einer von ca. 7 Milliarden anderen ist, und die Geschichte der Menschheit einige Jahrtausende ohne die eigene Rolle und Führung ausgekommen und sich schließlich durchaus so weit entwickelt hat, wie sie heute ist…
 
Im Übrigen hilft auch die Erkenntnis, dass die Sonne – wie die Wissenschaft sagt – noch etwa 4 bis 8 Milliarden Jahre scheint und insoweit der eigene Planungshorizont (und der der eigenen Stadt pp.) auch über den nächsten Tag, die nächsten Wochen, Monate und Jahre durchaus hinausgehen kann/wird – und die eigene (Führungs-) Bedeutung sich in diesen beiden Polen der Geschichte, der Zukunft und der Zeitläufe wirklich zeigt…
 
Über diese – zugegeben etwas „weiträumige“ Betrachtung und Erkenntnis hinaus – hilft dem/der Führenden bisweilen am Tage und in konkreten, kritischen und komplexen Situationen auch die rheinische Lebensart „an sich“.
 
Kompakt von Konrad Beikircher beschrieben und frei wiedergegeben als
 
 
Das Rheinische Grundgesetz:“
 
Artikel 1:
 
Et is wie et is!
 
 
Artikel 2:
 
Et kütt wie et kütt!
 
 
Artikel 3:
 
Et hätt noch ewerjutjejange!
 
 
Artikel 4:
 
Watfott is, is fott!
 
 
Artikel 5:
 
Wat soll däjanze Quatsch!
 
 
 
Daraus lässt sich die nötige Gelassenheit schöpfen, Grundgesetz und den übrigen europäischen Rechtsrahmen natürlich ergänzend hinzugezogen…
 
(Anmerkung: In Westfalen und im übrigen Weltenkreis soll es ähnlich funktionieren – Erfahrungsberichte wären willkommen). 
 

 
 
 
Wilfried Kruse
Beigeordneter der Landeshauptstadt Düsseldorf
Verbandsvorsteher der ITK-Rheinland
 
geborener Westfale, gelernter Rheinländer
mit 27-jähriger Führungserfahrung im öffentlichen Dienst
 
 

Leserkommentar:

"Ich kann den Artikel nur 100% unterstützen. …ich gehe sehr gerne zur Arbeit, weil das Betriebsklima durch die im Artikel genannten Führungsaspekte jeden Mitarbeiter dazu bringen, sein Bestes zu geben und gerne zur Arbeit zu kommen." (16.01.2012)

 

"Auch ich unterstütze den Beitrag. Mitarbeiter zu motivieren und einzubinden ist das eigentliche "Erfolgsgeheimnis". Reine Top-Down-Direktiven gehen regelmäßig schief. Denn ohne intrinsiche Überzeugung, dass eine Veränderung auch nowendig ist / mir selber nutzt, werden viele versuchen, diese nicht umzusetzen – aktiv oder passiv… (01.11.2012)

 

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