Projektionen – „Ich sehe was, was du nicht bist…“

Michael Schmidt – Projektionen können uns das Leben kurzfristig erleichtern.  In der Zusammenarbeit, speziell im Konflikt, behindern sie jedoch oft eine Lösung.

Schon in der Bibel, genauer gesagt in der Bergpredigt,  heißt es: „Wieso siehst Du den Dorn im Auge Deines Bruders und den Balken in Deinem eigenen Auge nicht?“ Wir Menschen neigen dazu, auf Andere etwas zu projizieren, weil wir dann meinen, leichter damit umgehen zu können. Dabei täuschen wir uns und die anderen damit selbst und entfernen uns von der Realität, die dann später umso heftiger auf uns zurückfällt. Konflikte verschärfen sich dadurch oft sogar, weil wir uns vor der Ent-Täuschung (d. h. ich täusche mich nicht mehr, sondern sehe klar, was Sache ist und was ich selbst zum Geschehen beigetragen habe)  durch die Aufhebung der Projektion drücken wollen.
Es gibt sowohl positive als auch negative Projektionen. Hier eine kleine Auswahl:
Positiv:
+ Bewunderung (bis hin zur Anbetung): Das gefällt mir am anderen (ich wäre gerne auch so)!
+ Bestätigung: Ich bin auch so und das mag ich am anderen!
+ Übertragung: Es erinnert mich an jemanden/etwas, den/das ich sehr gerne mag!
+ Ergänzung: Ich bin nicht so und mir gefällt, dass der andere so ist!
Und natürlich der Star aller Projektionen:
+ Verliebtsein: Rosa Brille, der/die andere ist einfach nur toll!
 
Negativ:
          Antipathie: Ich lehne es ab, weil ich nicht so sein möchte!
          Selbstkritik: Ich bin auch so und lehne es an mir ab!
          Übertragung: Es erinnert mich an jemand, den ich nicht mag!
          Neid: Ich wäre auch gerne so/hätte das auch gerne, erlaube es mir aber nicht und lehne es deshalb ab!
          Konkurrenz: ich bin auch so, finde es an mir gut, aber bei anderen gefällt es mir nicht!
Projektionen können uns also das Leben kurzfristig erleichtern, und deswegen sind sie sehr verbreitet und geschehen oft unbewusst. Ein bisschen Selbsttäuschung ist ja auch ganz o.k.  In der Zusammenarbeit, speziell im Konflikt jedoch behindern sie oft eine Lösung, weil sie den klaren Blick auf das Geschehen und meinen Anteil daran trüben oder gar verstellen. Je länger ich eine Projektion aufrecht erhalte und mich daran gewöhne, umso heftiger fällt die Enttäuschung aus. Daher geben manche Menschen lieber Beziehungen und Arbeitsstellen auf, als sich von einer liebgewonnen Projektion (sprich Sichtweise) zu trennen. Das kann im Extremfall in Hass, Verleugnung und Krankheit münden. Nicht umsonst heißt die 4. Eskalationsstufe im Konflikt nach Glasl: Images und Koalitionen, d. h. wir fangen an zu denken, wir sind die „Guten“ und die anderen die „Bösen“. Jetzt ist die Grundlage für eine destruktive Auseinandersetzung gelegt.

Und wie sieht es bei Ihnen aus? Wenn Sie sich dabei ertappen, das Sie den einen oder anderen zu positiv oder negativ sehen: Glückwunsch! Dann ist der erste Schritt bereits getan! Ich wünsche Ihnen möglichst klare Sicht auf sich selbst und andere.

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