Die Multitasking-Lüge: Wie wir beim Zeitsparen Zeit verschwenden

Michael Schmidt – Heute muss angeblich alles gleichzeitig laufen: Während des Telefongesprächs mit A noch schnell eine Mail an B schreiben, dann per Messenger der eigenen Community mitteilen, was man gerade so macht, während man schon auf dem Weg zum nächsten Meeting ist und dabei noch am coffee-to-go nippt. Selbst im Operationssaal werden Operateure bei laufenden Operationen angerufen und um Auskünfte zu anderen Patienten gebeten; die Operationsschwester hält dem Operateur das Telefon ans Ohr, während dieser (hoffentlich) kurz pausiert (das gibt es wirklich öfters!). Und all das nur, um angeblich Zeit zu sparen. Doch klappt das überhaupt? Und ist das nicht sogar gefährlich?

Die Anzahl der Unfälle im Straßenverkehr wegen Ablenkung durch Smartphones und Internetaktivitäten im Auto nehmen jedenfalls zu, und in deutschen Krankenhäusern sterben jedes Jahr 4 Mal so viele Menschen an vermeidbaren Komplikationen oder Fehlern wie im Straßenverkehr.


Studien haben ergeben, dass nur ca. 5 % aller Menschen tatsächlich auf Dauer mehrere Dinge gleichzeitig mit annähernd gleicher Qualität ausführen können (inklusive Frauen, um gleich auch noch ein verbreitetes Vorurteil zu relativieren). Nicht umsonst bestehen die ersten Schritte aller Meditations- und Entspannungstechniken darin, sich auf eine Sache zu konzentrieren. Wer alle Nase lang unterbrochen wird, braucht immer wieder Zeit, sich neu zu konzentrieren (bis zu 25 Minuten je nach Komplexität der Aufgabe sowie Dauer und Häufigkeit der Unterbrechung!). Von Zeitgewinn kann da keine Rede sein, eher vom Gegenteil.


Wie sehr die angestrebte Zeitersparnis (und damit auch Geldersparnis) durch Multitasking eine Illusion ist (vom Stress ganz zu schweigen), verdeutlicht eine Studie des Collaboration-Tool-Anbieters fuze.com:
Laut fuze.com gehen der Weltwirtschaft durch ständige Unterbrechungen und sich-wieder-einarbeiten-müssen bis zu 45 Milliarden Dollar jedes Jahr verloren (siehe Grafik). Auch wenn fuze ein Anbieter von Video-Konferenzen ist (bei denen es angeblich oder tatsächlich schwieriger ist, nebenher etwas anderes zu tun) und die Zahlen übertrieben erscheinen, so ist doch viel dran, dass mann/frau eben doch meist nur eine Sache richtig und konzentriert auf einmal machen kann und Multitasking ineffizient und stressig ist.


Ein besonders eindrucksvolles Beispiel  habe ich neulich in einer Krankenpflegezeitschrift gelesen. Dort wurde von einem Projekt „Stille im OP“ berichtet. In einem Krankenhaus in Hannover (und wohl nicht nur in Hannover) herrschte in einigen OP-Sälen viel Lärm: Freizeit- und Dienstplanungsgespräche, während der Patient schon im OP lag, Anrufe, Smartphone-Piepen, usw.. Im Rahmen des Projekts wurden Ruhe- und Konzentrationsregeln definiert und getestet, z. B.  „Keine Gespräche außer der sachlich notwendigen Kommunikation im OP-Team“, „keine Telefonate“ und auch „keine sonstigen Nebengeräusche“. Die wichtigsten Ergebnisse des Projekts, kurz gefasst:

  • Höhere Qualität der Arbeit
  • Schnellere Heilung der Patienten (die unterschwellig trotz Narkose den Stress mitbekommen hatten)
  • Weniger Fehler
  • Weniger Stress für das Personal.

Na, wenn das mal keine Gründe für weniger Multitasking und mehr Konzentration (nicht nur im OP) sind!


In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein stressarmes und konzentriertes Arbeiten.
 

 

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