Sie mögen auf der Skala der Führung ein F haben, aber sie auf der Skala der Fachlichkeit oder der Managementfähigkeiten ein A oder B. Sie sind zwar miserable Führungskräfte, aber geniale Experten, Pioniere und Strategen. Nur die die psychologischen Preise sind halt für die Mitarbeiter sehr hoch, aber die Erlöse, sich solchen Führern anzuschließen können noch höher sein.
Um die Kollateralschäden zu reduzieren, sollten diese Manager möglichst abgeschirmt und nur mit Mitarbeitern umgeben sein, die mit ihnen „können“. Am besten ist es, wenn für diese Genies „Schutzräume“ geschaffen werden. Zwingen Sie diese Begabungen nicht dazu, dass sie ihre schlechteste Seite zeigen müssen, indem Sie ihnen Personalverantwortung geben.
In jedem Unternehmen findet man diese dissozialen Typen. Zur zerstörerischen und paralytischen Wirkung kommt es jedoch meinst nur dann, wenn die Menschen Angst vor den unberechenbaren Personalentscheidungen bekommen. Nicht vergessen: Diese Typen sind halt nur halbe Genies und es ist nicht so, dass das Genie das „Arsch…“ bedingt.
Oberflächlich betrachtet, gibt es im Verhalten kaum einen Unterschied zwischen E und F-Führungskräften, aber es gibt ihn.
Der kleine Unterschied
Der kleine, entscheidende Unterschied ist, dass bei E-Führungskraft die Verletzungen aus Nachlässigkeit geschehen und sie nach ihrem destruktiven Verhalten wenigstens ein schlechtes Gewissen hat und ein Unrechtsbewusstsein entsteht. Die F-Führungskraft hingegen nimmt die negativen Wirkungen billigend in Kauf, sie wertet es als „Zeichen seines Status“: „Ich zeige jeden Tag mit dem abwertenden Verhalten, wo ich stehe und dass ich mich nicht entschuldigen muss“.
Ein Problem bleibt: die E-Führungskraft schafft es zwar, durch ihre Entschuldigung die Tür zur Verbesserung der Beziehung wieder zu öffnen, aber ungeschehen machen kann man Killerphrasen, Beleidigungen und Witze auf Kosten der Mitarbeiter nicht.
Auch hier gilt, dass ein Unternehmen nicht vollständig auf Mitarbeiter der E-Kategorie verzichten kann. Auch sie können auf den Skalen Fachlichkeit oder Management ganz hohe Werte haben und so für ein Unternehmen unverzichtbar sein.
E- Führungskräfte sind nicht in ihrem Kern „böse“. In der Psychologie spricht man von Soziopathen, die glauben, man müsste so sein, im Unterschied zu den Psychopathen, die als Narziss, Maniker oder Histrioniker (vgl. Artikel „
Ist der Chef ein Psychopath?„) Aufsehen erregen.
Es gibt Hoffnung für die E-Führungskräfte
Man könnte es als typisches Muster bezeichnen, dass E-Führungskräfte irgendwann wie aus einem bösen Traum erwachen und ihr Verhalten ehrlich bereuen. Auslöser für das „Erwachen“ ist häufig ein Karriereknick, der dadurch entsteht, dass sich, unsichtbar für die Führungskraft, Ärgerpunkte (
Rabattmarken) im Unternehmen ansammeln und man nur auf den Tag wartet, an dem man es der Führungskraft zurückzahlen kann.
E-Führungskräfte entstehen, weil sie im Unternehmen viel zu wenig oder nicht deutlich genug
Feedback von ihren Mitarbeitern bekommen. Das Schweigen und die Stille, die nach einem kommunikativen Ausrutscher einsetzt, werdenleicht als Verzeihen oder
„war doch nicht so schlimm“ interpretiert. Klagen an ranghöhere Vorgesetzte, die an der E-Führungskraft vorbei laufen, versanden nicht selten, weil die Ebene darüber schwach ist und/oder den Manager oder die Fachkraft nicht verlieren möchte.
Viele Mitglieder dieser Gruppe halten sich für gute Führungskräfte, weil es ja auch irgendwie läuft. Die Mitarbeiter machen gute Miene zum bösen Spiel. Man hat sich eingerichtet. Das Tragische ist jedoch, dass es sehr, sehr lange dauert bis ein Ausrutscher oder eine
„Jetzt-Reicht-es-Aktion„, wieder vergessen wird. Da helfen auch alle brav eingesetzten Führungswerkzeuge nicht. Auch ein Jahresgespräch kann vor dem Hintergrund einer einzigen Aktion gesehen werden und sie negativ beeinflussen, obwohl sie vielleicht Monate zurückliegt. Leider finden diese Führungskräfte auch immer wieder jemanden, der ihnen sagt, dass das alles nicht so schlimm war.
Führungsklasse D
Die Mehrheit der Führungskräfte befindet sich in der D-Kategorie. Sie fühlen sich gut und wohl, denn sie sind nett und diplomatisch. So was, wie die E- und F-ler würden sie nie machen. Sie grüßen, sind freundlich und höflich. Sie arbeiten sich durch den Tag, machen ihren Job so gut es geht und reagieren, wenn etwas schief geht. In Zeiten, in denen sich Aufgaben, Projekte und Organisationen nicht oder sehr langsam bewegt und verändert haben, reichte diese Führung völlig aus.
Doch das passive „Laufen-lassen“ genügt heute nicht mehr. Die Haltung wird unterstützt von der Überzeugung, dass Mitarbeiter nur ihren Freiraum brauchen und dann werden sie sich schon von ganz allein entwickeln und wachsen (Wofür sich auch immer Beispiele finden lassen!). Diese Führungskräfte verwechseln nicht selten „unklare Weite“
(„Machen Sie mal…“, „Kümmern Sie sich bitte um…“) mit Erweiterung von Verantwortung. „Faulheit“ und Feigheit, zum Beispiel vor eventuell unangenehmen Gesprächen mit Mitarbeitern, werden dann auch noch moralisch geadelt.
Bruce Tulgan spricht von der Epidemie des „Undermanagements“, die um sich greift. Meines Erachtens ist dieses Undermanagement schon lange da, sie fällt nur immer stärker auf und fällt immer stärker ins Gewicht.
Unangenehme Aktionen werden gerne ausgesessen oder indirekt inszeniert, was für das Klima schlimmere Auswirkungen haben kann als das berühmte Donnerwetter. Denn irgendwann kommen natürlich die Probleme mit den Mitarbeitern oder Kunden. Diese Probleme werden dann gemanagt und so gut es geht gelöst. Es wird aber kein Zusammenhang gesehen, zwischen der Passivität der Führungskraft im Vorfeld und den Problemen. Doch gerade dadurch, dass es kein „Auffangsystem“ von Ärgerpunkten, Demotivation und anderen Störungen gibt, akkumulieren sie sich und wachsen sich nicht selten zu Krisen aus.
Management der besonderen Gelegenheiten
Kurz gesagt glauben die D-Führungskräfte: Führung bedeutet, nett und verbindlich im Tagesgeschäft zu sein und bei Krisen und Problemen zu reagieren. Man könnte diese Haltung auch als „Management der besonderen Gelegenheiten“ bezeichnen.
Führungsinstrumente, wie das
Jahresgespräch , werden zwar eingesetzt, aber eher widerwillig. „Wozu denn so was, läuft doch gut.“, „Ich und meine Mitarbeiter brauchen so etwas eigentlich nicht, aber es muss ja sein. Aber noch mehr Zeit dafür investieren? Das geht nicht. Dann kommt man ja nicht mehr zur eigentlichen Arbeit.“ Und diese eigentliche Arbeit ist alles Mögliche, aber eben nicht die bewusste und aktive Beschäftigung mit den Mitarbeitern.
Meines Erachtens haben Unternehmen, deren Mehrzahl aus Führungskräften dieser Gruppe bestehen in Zukunft wenige Überlebenschancen.
Führungsklasse C
Was C-Führungskräfte von D-Führungskräften unterscheidet, ist das Bewusstsein und das Wissen, dass ein solches Verhalten nicht ausreicht. C-Führungskräfte sind offen, selbstkritisch und fragend. Sie versuchen, die Mitarbeitergespräche nicht nur dem Protokoll nach umzusetzen, sondern dem Geiste nach. Sie lesen Bücher und Artikel, besuchen Seminare, und zwar freiwillig und auf eigene Initiative.
Das „Want to“ ist gegeben
Das „Wollen“ ist vorhanden, was hier und da noch fehlt, ist das „Chance to“ und das „Know-how-to“. Manchmal fehlt das richtige Führungs-Werkzeug, manchmal nur die innere Erlaubnis (z.B. Mitarbeiter nach Feedback zu fragen). Die C- Führungskraft führt aus dem Bauch heraus. Fast alle Ansätze sind richtig, aber sie werden nicht konsequent und bewusst durchgeführt. So bleiben auch hier Führungsaufgaben liegen, die sich dann zu Problemen verdichten können.
Führungsklasse B
Die B-Klasse ist schon ganz hohes Niveau! Was ist eine gute Führungskraft? Antwort: Jemand, der möglichst viele Gelegenheiten schafft, über Arbeit zu reden. Während andere nur über Inhalte reden, redet diese Führungskraft mit allen Mitarbeitern, die ihm direkt berichten (und nicht nur mit denen, bei denen sich die Gelegenheit halt so ergibt).Die B-Führungskraft baut ein lückenloses „Auffangsystem“ für mögliche Ärgerpunkte und Störungen auf. Aus diesen Informationen entstehen die richtigen Hinweise für die Weiterentwicklung der Abteilung.
Sind Sie zufrieden?
Eine der wichtigsten Grenzmerkmale zwischen der B- und C-Führungskraft ist die offene Frage an die Mitarbeiter nach ihrer
Arbeitszufriedenheit . Aus Angst, zum Beispiel auf Motivationslücken keine Antwort zu haben, in ein ohnmächtiges Achselzucken oder in ein Verschenken von Trostpreisen gezwungen zu werden, schrecken viele Führungskräfte vor dieser Kernfrage zurück.
Ein solches Netz von Gesprächen erkennt aber mögliche Abweichungen, Störungen und Lücken sehr früh und versetzt die Führungskraft in die Lage, schnell zu reagieren, bevor aus Abweichungen Problemen erwachsen. Führungsprobleme, die von Außen kommen, gibt es dann immer noch genug. Da müssen nicht auch noch die eigenen, hausgemachten dazu kommen.
Führungsklasse A
Aus der B-Basis heraus lässt sich die nächste Stufe erklimmen. Die Krönung von Führung ist vielleicht, einen Mitarbeiter zu Fähigkeiten und Leistungen geführt zu haben, an die er selbst nicht geglaubt hat. Das geht nur dann, wenn neben der Rolle als Führungskraft, die für den Output verantwortlich ist, die Rolle eines Förderers möglich wird.
Die Quadratur des Kreises
Und hier tue ich mich schwer mit den Begrifflichkeiten, denn der Begriff „Coach“ wird zur Zeit so stark in Anspruch genommen und dadurch so unterschiedlich interpretiert, dass ich fürchte, das er schnell missverstanden wird. Im Kern ist die Quadratur des Kreises in der Führung gemeint: dem Mitarbeiter wird geholfen, teilweise sogar bis ins Detail, aber ohne, dass er dabei gleichzeitig die Verantwortung an den Vorgesetzten gibt, sondern im Gegenteil weiter für sich ausbaut. Diese Form von „Performance-Coaching“ kann man nicht mit allen Mitarbeitern machen, aber ein bis zwei können vielleicht gleichzeitig so begleitet werden.
Wie viel Zeit diese Königsklasse von Führung braucht? Eine Stunde pro Tag, wäre meine erste Schätzung. Zuviel? Zuviel für eine Mannschaft, die engagiert, gut gelaunt, offen für neue Aufgaben und dankbar ist?
Die Leadion – Führungsklassen in der Übersicht
1) Das Kleben von „
Rabattmarken“ – Können wir nicht sofort auf die Verletzung reagieren, so neigen wir dazu, eine „Rabattmarke“ zu kleben. Ist das Heft voll, wird es mit einer, dem Auslöser oft nicht angemessenen Reaktion, eingelöst. Emotionale Energie geht nicht verloren!