Ein neuer Führungsstil kündigt sich an – der evolutionäre Führungsstil

Ulrich Grannemann – Ein Führungsstil ist die typische Art und Weise wie sich eine Führungskraft über einen längeren Zeitraum und unabhängig von situativen Einflüssen gegenüber seinen Mitarbeitern verhält. Der Führungsstil bezeichnet immer wiederkehrende Schwerpunkte und Eigenarten im Führungsverhalten.

Aus dieser Definition lässt sich schon ableiten, warum der Führungsstil-Begriff in der Wissenschaft keine große Rolle mehr spielt. Führungsstile sind schwer operationalisierbar und noch schwerer in ihren Effekten messbar. Im Alltagsgebrauch wird der Führungsstil jedoch genutzt, um schnell grundsätzliche Auffassungen auf den Punkt zu bringen.

Drei Phasen der Führungsstilentwicklung lassen sich beschreiben und ich möchte zeigen, warum sich eine vierte Phase ankündigt.

Phase 1: Die natürlichen Führungsstile

Zunächst war Führung lediglich eine persönliche Eigenschaft. Man hatte sie oder hatte sie nicht. Führung wird sichtbar und spürbar am direkten Kontakt mit Menschen.

Diese erste Phase der Führung ist durch die Eigenschaftstheorie der Führung geprägt. Es wurde nicht bewusst über Führung nachgedacht. Man führte, wie man sich gerade fühlte, wie man es als natürlich empfand, wie man gerade so drauf war. Persönlichkeit und Führung waren eins.

Im Grunde kann man hier von dem natürlichen Führungsstil sprechen. Jeder mag für sich selbst entscheiden, wie stark genau dieser Führungsstil auch heute noch den Umgang miteinander prägt.

Phase 2: Die separaten Führungsstile

Je größer und bedeutender Unternehmen als Form der Wertschöpfung wurden, umso mehr wurde Führung zur Aufgabe, zur Funktion, zur Rolle. Gerade in großen Unternehmen wurde deutlich, wie unterschiedlich Führungskräfte sich verhielten, obwohl sie ganz ähnliche Aufgaben zu verantworten hatten.

Zu diesem Zeitpunkt explodierten die verschiedenen Führungsstile: der patriarchalische, der charismatische, der bürokratische, der autoritäre der autokratische, der kooperative, der dienende, der laterale, der aufgabenorientierte, der teamorientierte, der mitarbeiterorientierte, der managementorientierte und der agile Führungsstil. Um nur einige zu nennen.

All diese Führungsstile könnte man nun neu gruppieren und unterscheiden. Einige orientieren sich an bzw. entstehen aus den Eigenschaften der Führungskraft. Einige ergeben sich aus den Anforderungen und Bedürfnisse der Mitarbeiter und eine dritte Gruppe von Führungsstilen lassen sich aus den organisatorischen Herausforderungen ableiten (Transformation Ade, agiler Führungsstil)

Es dämmerte dann allen sehr schnell, dass Führungskräfte mit einem einseitigen Mono-Führungsstil schnell an ihre Grenzen geraten, sobald sich Mitarbeiter oder Aufgaben verändern. Das war die Geburt der dritten Phase, eingeleitet durch Hersey und Blanchard, die situativen Führungsstile.

Phase 3: Situative Führungsstile

Es ist unmittelbar einleuchtend und plausibel dass wir als Führungskräfte nur gut sein können wenn wir unser Verhalten und damit unseren Stil an den Reifegrad des Mitarbeiters, an den Typus von Aufgabe oder an die Eigenheiten einer Kultur anpassen. Schauen wir auf die Inhalte der Führungsseminare befinden wir uns fast alle in dieser Phase der situativen Führung.

Evolutionärer Führungsstil

Situativer Führungsstil

Mitarbeiter und Führungskraft entwickeln Gespräche und Tools stetig weiter, reagieren schnell auf Veränderungen und neue Anforderungen.Die besser passenden Tools (fittest) werden zuungunsten der weniger passenden Tools ausgewählt.
Diskrete Führungsstile

Es wird so geführt, wie es die Mitarbeiter-Aufgaben-Kombination erfordert
Natürliche FührungsstileFührung als angeborene Eigenschaft- Jeder führt, wie er will

– Man kann führen

oder eben nicht

– Laissez-faire

-autoritär-bürokratisch-autokratisch

-patriarchalisch

-partizipativ

-kooperativ

-lateral

-agil

– u.v.m.

Der situative Führungsstil beherrscht bis heute die Seminarpraxis. Immer wieder ergänzt durch neue Führungsstile, die Antworten auf die neuen Herausforderungen zu geben versuchen (VUCA-World: Volatility (Unberechenbarkeit), Uncertainty (Ungewissheit), Complexity (Komplexität) und Ambiguity (Ambivalenz) ). Eine integrierende Richtung versuchen die systemisch oder ganzheitlich orientierten Führungsstile (D. Pinnow).

Es braucht nur dann einen neuen Führungsstil, wenn es der alte nicht mehr tut.

Muss es einen neuen Führungsstil geben? Brauchen wir das? Warum behaupte ich, dass sich eine neue Phase von Führungsstil angekündigt?

Für mich ist der wichtigste Auslöser die schlichte Tatsache, dass sich die Veränderungs­geschwindigkeit verglichen mit den sechziger Jahren, in denen Hersey und Blanchard das Modell der situativen Führung kreiert haben, um ein vielfaches erhöhte.

Es war immer schon schwierig und sehr anspruchsvoll den richtigen Reifegrad der Mitarbeiter zu erkennen und entsprechend darauf zu reagieren. Ich behaupte, dass inzwischen die Mitarbeiter, die Organisationsformen, die Aufgabentypen und Prozesse sich so schnell verändern, dass der Anspruch situativ zu reagieren, nahezu übermenschlich geworden ist.

Es ist kein Wunder, dass der Begriff der VUCA-World ( Volatility (Unberechenbarkeit), Uncertainty (Ungewissheit), Complexity (Komplexität) und Ambiguity (Ambivalenz) ) umgeht und Konzepte gesucht werden mit dieser Welt umzugehen.

Die Antwort auf die VUCA-WORLD: Evolutionäre Führung

Es ist sicherlich ein Führungsstil zu wählen, der eine schnelle Reaktion auf Veränderungen durch Selbstorganisation möglich macht.

Aber der neue Führungsstil muss weitere Themen Antworten geben können: Beendung der Überforderung der Führungskräfte, der erhöhten Diversität der Mitarbeiterschaft entsprechen und immer mehr Augenhöhe von Vorgesetztem und Mitarbeitern schaffen, egal, in welchem Reifegrad diese sich gerade befinden. Führungskräfte sind auch nur Menschen und letztlich mit dem Anspruch der situativen Führung überfordert. In meiner Wahrnehmung häufen sich die Klagen von Führungskräften, dass sie den eigenen Führungsansprüchen nicht mehr gerecht werden.

Neben der Diversität der Mitarbeiter stehen auch die steigenden Ansprüche und Erwartungen der Mitarbeiter. Der Hype um das Thema Generation Y ist ein Symptom. Aber im Grunde ist es ein stetiger Druck in Richtung Demokratisierung der Arbeitswelt, der 1968 begann und sich bis heute fortsetzt.

Menschen lassen sich gerne führen, wir bekommen Sicherheit, Orientierung, fachliche Hilfe und Entwicklung. Auf der anderen Seite steigt der Anspruch auf „Augenhöhe zu kommunizieren“. Menschen wollen mehr Führung, aber welche?

Führung wird zu einer gemeinsamen Aufgabe von Mitarbeiter und Führungskraft

Es sind diese drei Führungsaufgaben, die Führung nicht gerade leichter gemacht haben. Wenn die Führungskraft es alleine nicht kann, sollte sie sich Hilfe holen. Das tun auch viele. Zum Beispiel in Seminaren und Coachings und mit dem Lesen von Fachliteratur und Fachartikeln.

Wenn die Ansprüche so differenziert und vielfältig sind, gibt es im Grunde aber nur eine Person, die uns dabei helfen kann und das ist der Mitarbeiter selbst. Er weiß am besten, was er braucht und was er will. Und das hat nichts mit einer jährlichen Vorgesetztenbeurteilung, einer Mitarbeiter-Zufriedenheits-Befragung oder der Formulierung allgemeiner Wünsche an die Führungskraft zu tun.

Was muss der neue Führungsstil noch leisten?

Der neue Stil versucht nicht, die Situation zu erkennen und angemessen darauf zu reagieren, sondern passt sich ständig neu an. Das Bessere ist der Feind des Guten. Führung ist also ein gemeinsames KVP-Projekt (KVP=kontinuierlicher Verbesserungsprozeß) mit dem Mitarbeiter. Führung wird zu einem kontinuierlichen Verbesserungsprozeß. Führung ist immer in Bewegung und versucht immer die passende Form zu finden. Führung versucht fit, im Sinne von passend, zu sein.

Evolution – das erfolgreichste Prinzip

Es gibt ein Prinzip, welches diese ständige Anpassung beschreibt. Und das ist das vielleicht mit Abstand erfolgreichste Prinzip im Universum: Nämlich die Evolution. Übertragen auf die Führung werden hier allerdings keine Lebewesen selektiert, sondern Werkzeuge, Tools, Regeln, Gesprächsrunden und deren Formen, Leitfäden, Tabellen, Templates usw..

Das Prinzip Evolution bedeutet, ich probiere verschiedene Werkzeuge aus und entscheide mich für das Beste. Von diesem Werkzeug schaffe ich wieder neue Varianten (Mutationen), von dem ich dann wiederum das Beste auswähle. Diese jeweils zu entwickelnden Führungs-Verhaltensweisen entstehen nicht am grünen Tisch oder in der Theorie, sondern müssen sich in der Arbeit und Kommunikation zwischen Mitarbeiter und Vorgesetzten bewähren.

Beim evolutionären Prinzip des Leadion Ansatzes gibt es zwei ganz wesentliche Elemente:

  1. Das regelmäßige TÜV -Gespräch, in dem Mitarbeiter und Vorgesetzte ihre Arbeitsbeziehungen auf die „Arbeits-Bühne“ stellen und checken. Stimmen die Abläufe, stimmen die Kooperations-Regeln, stimmt die Art und Weise zur Entscheidung zu kommen, stimmen die Prioritäten in den Aufgaben und und und. Hier wird eben nicht über Fachliches, sondern über die aktuellen Projekte und Aufgaben und Kunden gesprochen.
  2. Das zweite Element, das den Ansatz revolutionär macht, sind die TÜV-TÜV-Gespräche. Hier fragen sich beide ob die Fragen und Werkzeuge, mit denen die Qualität der Arbeit verbessert werden soll, die Richtigen sind. Das heißt, die Messwerkzeuge selbst kommen auf den Prüfstand. Stellen wir die richtigen Fragen? Nehmen wir uns genug Zeit, sind die Abstände richtig?

Diese beiden Gesprächsebenen führen zu einer ständigen Verbesserung der Führungstools. Die ständigen Weiterentwicklungen und das Lernen werden eingebaut und zum wesentlichen Bestandteil des evolutionären Führungsstils.

Entscheidend ist eine investive statt einer reaktiven Arbeitsform und Arbeitsauffassung. Der reaktive Manager wird sofort einwenden, dass er dafür erst recht keine Zeit hat. Der investive oder proaktive Manager weiß, dass diese Zeiten, die am besten investierten Zeiten sind.

Sie sind interessiert an weiteren Themen rund um das Thema Führung? Wir bieten individuelle Programme für Führungskräfte und Inhouse-Programme für Unternehmen. Außerdem halten wir Vorträge rund um das Thema Führung und trainieren Trainer für das Leadion-Modell.
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2 Kommentare

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