Es ist eine Binsenweisheit, dass Mitarbeiter durch Lob und Anerkennung durch ihre Vorgesetzten motiviert werden können. Im Alltag geht das jedoch oft unter bzw. überwiegt die (natürlich auch notwendige) Kritik. Daher versuchen viele Organisationen, regelmäßige Verfahren zur Anerkennung von Mitarbeitern einzuführen. Berühmt und verbreitet sind z. B. der „Mitarbeiter des Monats“ nach amerikanischem Muster oder Boni für besondere Leistungen. Wie sieht aber der Praxistest dieser Maßnahmen aus? Wie sehr motiviert diese Form von Anerkennung?
Kurzfristig kann diese Art der Motivation durchaus funktionieren, wie eine neue Studie der Rotterdam School of Management zeigte. Es gibt aber auch Studien, die das Gegenteil belegen, zumindest langfristig. Außerdem birgt die Anerkennung einzelner auch so ihre Tücken, wie schon Oscar Wilde wusste, der sagte:
„Lobe einen von Hundert, und Du bekommst 99 Neidische und einen Undankbaren.“
Auch wenn das natürlich satirisch übertrieben ist, stimmt es im Kern. Wenn Sie eine Person vor anderen loben, können sich die anderen schnell zurückgesetzt fühlen (bis hin zum Vorwurf an den Gelobten, er/sie hätte „geschleimt“). Manche Mitarbeiter möchten auch einfach ihre Arbeit machen und nicht öffentlich gelobt werden; das ist ihnen peinlich. Es könnte auch passieren, dass jemand gerade „einen Lauf hat“, aber sonst nicht zu den Spitzenleistern gehört. Und wer lobt eigentlich diejenigen, die die Hintergrundarbeiten machen, die man oft nicht sieht, welche aber für den Erfolg entscheidend sind? Nebenbei tritt manchmal auch der so genannte „Superstar-Effekt auf: Andere leisten weniger als sie könnten, weil sie von vornherein meinen, gegen den „Superstar“ eh keine Chance zu haben (das ist wohl auch mehreren Golfstars in Turnieren gegen Tiger Woods passiert).
Wie also sollte ich als Vorgesetzter beim Loben vorgehen? Hier hilft – wie so oft – der gesunde Menschenverstand. Fragen Sie sich folgendes:
- Handelt es sich bei einem Erfolg wirklich um eine Einzelleistung, oder haben daran mehrere mitgewirkt?
- War das ein kurzfristiger Erfolg, oder bringt jemand über eine längere Zeit gute Leistungen?
- Wie wirkt das Lob auf diejenigen, die sich anstrengen, aber aus welchen Gründen auch immer nicht den besonderen Erfolg hatten?
- Müsste ich nicht auch das Team und die Teamarbeit loben?
- Wie wird das Team reagieren, wenn ich eine einzelne Person lobe? Falls das Team die Leistung auch positiv sieht (z. B. für das Organisieren eines Team-Events oder das Lösen eines Teamproblems), dann ist ein Einzellob vor anderen durchaus angebracht.
Und wenn ich einzelne loben, aber die negativen Sozialeffekten (wie Neid, Enttäuschung oder Missgunst) vermeiden möchte, kann ich das immer noch im 4-Augen-Gespräch tun. So kann dann das Lob seine motivatorische Wirkung entfalten.