Warum Amateure bessere Prognosen abgeben als Experten
Zum Jahresende und zu Jahresbeginn haben sie wieder Hochkonjunktur: In den Medien erstellen Propheten (oder modern ausgedrückt: Experten) Prognosen für das kommende Jahr. Dabei treten sie oft auf, als wüssten sie ganz genau, wie die Zukunft aussehen wird. Trotzdem ist Griechenland immer noch im Euro, die Zinsen fielen 2015 entgegen der Prognosen ebenso wie der Ölpreis, und auch andere Vorhersagen sind gründlich danebengegangen. Das ist auch kein Wunder, wenn man Philip Tetlock glaubt, einem US-amerikanischen Sozialwissenschaftler, der seit Jahrzehnten den Wahrheitsgehalt von Prognosen erforscht.
Bereits 2005 hatte er in seinem Buch Expert Political Judgment: How Good Is It? How Can We Know?
festgestellt: Anstatt die Experten zu befragen, hätte man auch eine Münze werfen können. Das wäre genauso gut und aussagekräftig gewesen wie die Expertisen der professionellen Zukunfts-Vorhersager. Er hatte zuvor 20 Jahre lang die Richtigkeit von über 80.000 Prognosen von Experten-Weissagern ausgewertet, die uns in den Medien und in Geheimdiensten begegnen.
Nun hat er noch eins draufgesetzt: In seinem 2. Buch (Superforecasting: The Art and Science of Prediction
) beschreibt er, wie 20.000 von ihm ausgewählte Laien (vom Arbeitslosen über den Turniertänzer bis zum Mathematiker) mit ihren Prognosen alle (!) medienpräsenten Experten schlugen. Das lag auch an der Methodik: Den Probanden wurden die wesentlichen Grundlagen der Wahrscheinlichkeitsrechnung vermittelt, und sie wurden angehalten, auch konträre Informationen zu prüfen und das eigene Urteil immer wieder zu hinterfragen. Aus diesen 20.000 Teilnehmern ragten wiederum 2 % heraus, die so genannten „Super-Vorausschauer“ (Superforecasters). Diese lagen sogar um 30 % besser als die Experten! Sie lagen am besten, weil sie neugierig, unvoreingenommen, selbstkritisch und abwägend blieben. Tetlock nennt zudem „Demut“ als oberstes Gebot mit den Fakten und Informationen.
Das passt nun so überhaupt nicht zur heutigen Medienwelt mit ihren Hypes und Shitstorms und Star-Experten, und in Talkshows kann man mit nüchternen Fakten oder gar Demut meist keinen Blumentopf gewinnen. Wenn Sie sich selbst aber etwas Gutes tun wollen für 2016: Benutzen Sie Ihren gesunden Menschenverstand und hören Sie auf solche Leute, die das auch tun. Pflegen Sie Tugenden wie Selbstreflexion, kritisches Abwägen und eine gesunde Skepsis, und umgeben Sie sich mit reflektierten Leuten, dann kann nicht mehr viel schief gehen.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein gutes und interessantes Jahr 2016 (und halten Sie sich fern von den so genannten „Experten“)!