Wie bringen Sie das Lernen zum Laufen? Warum Feedback im Unternehmen gescheitert ist

the same old thinking and disappointing results, closed loop or negative feedback mindset concept - a napkin doodle with a cup of coffee

Oh, wie schön wäre das eine Abteilung, einen Bereich im Unternehmen zu haben, in dem sich alle stetig und immer weiter entwickeln und lernen. Viele machen sich viele Gedanken zu dem Thema und kommen zu den alten Lösungen: Feedback, 360 Grad Befragung, Mitarbeiterzufriedenheitsbefragung.

Zu viel “back” im Feedback. Warum Feedback gescheitert ist

Ja, es stimmt. In allen Lerntheorien, egal aus welcher wissenschaftlicher Richtung, spielt Feedback immer eine zentrale Rolle im Lernprozess. Ursprünglich kommt der Begriff aus der Kybernetik, wo es um die Rückkopplung von Daten und Informationen in einen Regelkreis geht. Er wurde dann in der Sozialpsychologie als “Zurückmeldung der Wirkung von bestimmtem Verhalten auf eine Person” übernommen. Und dieser Feedback-Begriff ist ebenso von Unternehmen als Idee aufgegriffen worden, dem Mitarbeiter Feedback über seine Leistung zu geben. Aber auch nach über 30 Jahren Training zum richtigen Einsatz von Feedback sind die Erfolge eher bescheiden zu nennen. Häufig wird Feedback gar nicht verwendet und wenn doch, dann gibt es nicht selten Probleme, weil der Rahmen der Erlaubnis nicht stimmt oder weil es viel zu allgemein, abstrakt (“Verbessern Sie mal Ihre Kommunikation!”) und nicht konkret genug auf den Punkt erfolgt. Hinzu kommt, dass Leute vom positiven oder negativen Feedback sprechen; dass das Feedback dazu dient auf einer Skala die Qualität eines Mitarbeiters zu setzen: gut, schlecht, mittel? Dann wird nicht um Erlaubnis gefragt, ob der eine Feedback erhalten möchte oder wir bekommen keine Gelegenheit nachzufragen, weil Feedback in diesem Fall anonym ist und somit zu Missverständnissen führen muss. Oder Feedback wird zu einem Teil vieldimensionaler Kriterien auf einer 10er-, 5er- oder XY-Skala mit unglaublich schwer begründbaren Urteilen dazu.

Besinnen auf das Wesentliche: Es geht um die Zukunft

Worum geht es denn? Beim persönlichen Lernen geht es nur um eins: Was genau sollte ich als Führungskraft und Mitarbeiter als Nächstes lernen? Vielleicht noch: Was sollte ich als Zweites und als Drittes lernen? Mehr aber auf keinen Fall. Außerdem ist wichtig, was ich dazu brauche, wie ich da am besten herankomme, wer mir dabei hilft und welche Wege dorthin führen. Was mich aber überhaupt nicht interessiert ist eine Standortbestimmung: wo ich eigentlich genau stehe und was ich in der Vergangenheit alles falsch gemacht habe. Nicht, dass diese beiden Punkte nicht unter bestimmten Umständen interessant sein könnten. Aber für das Erkennen, was ich lernen sollte, ist es nicht notwendig. Und dann ergeben sich auch völlig andere Fragen und nicht: “Gib mir mal Feedback, wie ich war!”, sondern die Fragen an Mitarbeiter, Kollegen oder den Chef lauten: “Was sollte ich deiner Meinung nach zu allererst lernen oder an mir weiterentwickeln?”, “Woran könnte ich scheitern?“,  „Was könnte mir in meiner Rolle und Entwicklung hier im Unternehmen gefährlich werden?”, “Was hältst du aus deiner Sicht für mich persönlich am wichtigsten?”.

 

Es ist also nicht die Frage, ob ich etwas lerne oder etwas lernen sollte („Wenn ich gutes Feedback bekomme oder mehr als sechs Punkte, muss ich ja nicht lernen“), sondern die Frage ist einzig und allein was in welcher Priorität.

Feedback brauche ich nur dann, wenn ich die Antwort von meinem Feedback-Partner nicht verstehe und ein Beispiel brauche. Dann und nur dann brauche ich Feedback.
Als Person kann ich auf meiner inneren Ebene immer und zu jeder Zeit einen Kreis meiner mir wichtigen Personen auswählen und diese um den Entwicklungshinweis, den Lerntipp bitten. Und haken Sie nach, wenn nichts kommt, weil immer noch viele bei diesem Thema viel zu ängstlich agieren und Ihnen nicht wehtun wollen, was Ihnen aber nichts nützt. Sie werden viele Hinweise bekommen, viele werden sich ähneln, einige davon werden Ihnen bekannt vorkommen und Sie werden innerlich denken: “Jaja, das kenne ich schon” und dann müssen Sie sich fragen, was Ihnen fehlt, um sich in Bewegung zu setzen. Am allerallerwichtigsten sind allerdings Feedbacks, die Sie erst gar nicht verstehen. Das könnte ein Zeichen dafür sein, dass jemand ein Goldnugget gefunden hat, nämlich einen blinden Fleck. Ein Hinweis auf einen blinden Fleck ist mehr wert als drei Tage Seminar (übrigens: die Lernnuggets, die ich erhalten habe, kamen beruflich von meinen Mitarbeitern, privat von meiner Frau).
Ein paar Tipps zur Initiierung der persönlichen Wachstumsinitiative:

  1. Schreiben Sie jeden, den Sie um Hinweise bitten, persönlich an. Vermeiden Sie den öffentlichen Verteiler. Der hat nur den Effekt, dass viele denken: „TEAM –  Toll, ein anderer macht’s“.
  2. Nennen Sie die Initiative nicht “Feedback” sondern anders. Begriffe wie Lernen, Zukunft, Wachstum, Entwicklung sind positiv besetzt oder stellen Sie gleich einfach nur die Frage: „Welches Seminar soll ich als nächstes besuchen?“
  3. Wenn Sie Antworten bekommen, wundern Sie sich nicht, wenn die anderen trotzdem von Feedback sprechen, auch wenn Sie das Wort selbst nie benutzt haben.
  4. Bedanken Sie sich, wenn Sie möchten, dass Sie weitere Hinweise und Tipps für sich bekommen

Organisatorisches Lernen

Nicht wenige Unternehmen arbeiten an Initiativen, wie sie das stetige Lernen unterstützen können. Dazu bieten vor allem die neuen, sozialen Netzwerke viele Vorbilder und Möglichkeiten. Neben der Möglichkeit in ganzen Netzwerken um Feedforwards (statt Feedbacks) zu bitten, gibt es auch die Möglichkeit, Feedbacks oder Feedforwards einzustellen und anzubieten. Beim Thema Lernen und Lernhinweisen oder Prioritäten müssen beide Seiten damit einverstanden sein. Stellen Sie sicher, dass nur das Angebot des Feedbacks erscheint, nicht das Feedback selbst. Der Feedback-Nehmer muss die Möglichkeit haben, ob er es annimmt und wann er es annimmt. Wir sind nicht immer gleich gut drauf und wir sind nicht immer in der gleichen Stimmung und Laune, um Feedback aufzunehmen.

Das Abstraktionsproblem

Eins der größten Probleme ist der Abstraktionsgrad im Feedback. Wir haben zwar konkrete Bilder vom Verhalten des anderen im Kopf und auch vom Verhalten, wie es besser sein könnte. Aber diese mit Begriffen oder wenigen schriftlichen Sätzen auszudrücken, ist nahezu unmöglich. Daher kommen die vielen vermeintlichen Abwertungen im Feedback, da diese Formulierungen durch den Abstraktionsgrad zu Missverständnissen führen müssen. Die einzige Möglichkeit aus schlechtem Feedback (“Kommunikation verbessern, höhere Teamfähigkeit”) einen Gewinn zu ziehen, ist durch Präzisierungsfragen zu erfahren, was genau gemeint ist. Das führt zu der Regel: Kein Feedback ohne die Möglichkeit in einem persönlichen Gespräch Präzisierungsfragen zu stellen.

Die goldenen Brücken bauen

Es ist manchmal als Feedforward-Geber oder Entwicklungshelfer nicht einfach die richtigen Punkte für den anderen zu finden. Da können Kompetenzmodelle wie Unterscheidungen in einzelne soziale Teilbereiche, Konflikte, Kooperationen, Hilfsbereitschaft, Klarheit in der Kommunikation usw. ein hilfreiches erstes Suchmuster darstellen. Ein anderes gute Hilfsmittel ist, einfach danach zu suchen, was der andere zu viel oder was der andere zu wenig macht. Oder man kann, und das gehört zu den einfachsten und abwertungsfreiesten Möglichkeiten, ein Portfolio der einzelnen Aufgaben haben oder eine Aufgabeninventur durchzuführen, (Links) bei der man sehr schnell sehen kann, in welchem Teilbereich, bei welchen Modulen eines Projekts, bei welchem Kunden, bei welcher Teilaufgabe etc. die größten Potenziale liegen.
Vertrauen lernt. Die allerwichtigste Voraussetzung für eine “gute Lernkultur” ist das Vertrauen, nicht perfekt sein zu müssen; das Vertrauen, Fehler machen zu dürfen; die Sicherheit, angenommen zu sein mit allen seinen Stärken und Schwächen. Je stärker das Standbein, umso mehr kann das Spielbein ausholen.

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Veröffentlicht in Feedback.

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