… und mögliche Strategien für den Unternehmensalltag
Gudrun Happich – In der zweiten Führungsebene wird die Luft allmählich dünner: Als Führungskraft ist man jetzt anders gefordert als zuvor. Welchen drei zentralen Herausforderungen man auf dieser Hierarchiestufe begegnet und was dies für Unternehmen bedeuten kann, erläutert Executive Coach Gudrun Happich.
Die erste Herausforderung: Klarkommen mit der neuen Rolle
Studien haben gezeigt, dass der Rollenwechsel in die zweite Führungsebene und damit ins Topmanagement oft unterschätzt wird und typischerweise bis zu zwei Jahren dauern kann. Denn mit der neuen Position sind auch neue Verhaltensmuster gefordert. Sich darauf vorzubereiten, ist schon deshalb schwierig, weil die meisten Führungskräfte nicht erwarten, dass der Positionswechsel solche Probleme und Anforderungen an die persönliche Entwicklung mit sich bringt.
Immerhin wird man ja gerade wegen bestimmter Qualitäten und Eigenschaften befördert, mit denen man sich profiliert hat. Doch diese bisherigen Stärken sind jetzt manchmal eher Schwächen: Die fachliche Kompetenz ist nun viel weniger gefragt als viele annehmen. Stattdessen geht es jetzt um Strategien, Beziehungen, Verhandlungen – und auch um politisches und strategisches Kalkül.
Das ist eine sehr intensive Transformation für die meisten Führungskräfte, und auch der Punkt, an dem viele scheitern, weil sie die neuen
Spielregeln nicht verstehen.
Auf der zweiten Führungsebene fungiert man als eine Art Schnittstelle zwischen dem mittleren und dem Topmanagement. Während im mittleren Management noch die alten Regeln gelten – Leistung und Inhalte – stehen weiter oben Strategie, Taktik und Politik auf der Agenda.
Was hilft: Man sollte sich intensiv zu den Hintergründen und den Inhalten der neuen Position informieren, und zwar so früh wie möglich. Folgende Fragen können dabei helfen:
- Auf welcher Ebene liegt die neue Position? Und welche Spielregeln gilt es ab sofort zu beachten?
- Was war der Vorgänger für ein Mensch? Denn an ihm wird man im Positiven wie im Negativen gemessen werden.
- Welche Ziele, Aufgaben und Erwartungen sind mit der neuen Position verbunden? Das klärt sich am schnellsten in einem Gespräch mit dem neuen Vorgesetzten. Ihn sollte man fragen, warum gerade Sie das Angebot erhalten haben – die Antwort wird auf jeden Fall aufschlussreich sein.
- Sind die Rahmenbedingungen in Ordnung? Manchmal ist so eine Beförderung nämlich nicht nur positiv. Ein Wechsel in ein unvertrautes Umfeld kann einen regelrechten „Kulturschock“ auslösen, und das sollte man nie unterschätzen.
Für die Unternehmen bedeutet das, dass es eine gute Investition ist, den zukünftigen Topmanager bei seinem Rollenwechsel zu unterstützen. Denn je kürzer der Zeitraum ist, den eine Führungskraft für die Transformation benötigt, umso eher steht sie mit ihrer ganzen Leistungskraft für die Ziele des Unternehmens zur Verfügung.
Die zweite Herausforderung: Leistungsträger am Limit
Viele Top-Führungskräfte stehen unter enormem Druck. Sie arbeiten sehr lange, sind jederzeit erreichbar und müssen zudem mit der ständigen Budgetknappheit und steigenden Anforderungen klarkommen.
Gerade die besonders engagierten Leistungsträger haben dazu noch das Problem, dass sie von ihren Vorgesetzten gerne noch „kleine“ Zusatzaufgaben zugeschanzt bekommen. Oft in letzter Minute, so dass ein sinnvolles Delegieren auch nicht mehr möglich ist.
Führungskräfte der zweiten Führungsebene sollten in der Lage sein zu erkennen, wann der Punkt gekommen ist, an dem es wirklich nicht mehr geht. In diesem Fall muss rechtzeitig das Gespräch mit dem Vorgesetzten gesucht werden, damit gemeinsame Lösungsstrategien entwickelt werden können. Wenn Führungskräfte lernen, sich auf ihre
Aufgabe zu fokussieren und beispielsweise keine fachlichen Aufgaben mehr selbst zu erledigen, nimmt die Überlastung deutlich ab.
Dazu kommt, dass Führungsträger der zweiten Ebenen extrem darauf angewiesen sind, sich ein gutes Team zusammenzustellen. Denn von diesen High Performern wird nicht mehr erwartet, dass sie alles selbst wissen. Sie müssen aber unbedingt ein Team aus hoch motivierten Leuten aufbauen, die das Wissen des Unternehmens insgesamt bereichern und auf das sie jederzeit zugreifen können, wenn es nötig ist.
Insofern ist Wissensmanagement eine der wirklich ganz zentralen Herausforderungen für Top-Führungskräfte, und je eher Sie sich damit auseinander setzen, umso besser für Ihre Karriere. Moderne Unternehmen wissen, wie wichtig es ist, wertvolles Know-how im Unternehmen zu halten, und sie tun viel dafür, ihren Top-Leistungsträgern die entsprechenden Rahmenbedingungen zu bieten.
Die dritte Herausforderung: Klarheit über die weitere berufliche Perspektive
Ob der Weg ganz nach oben wirklich die optimale individuelle Perspektive ist, lässt sich nur beantworten, wenn man die richtigen Fragen stellt: „Was reizt mich eigentlich wirklich?“ und „Welche Bedingungen müssen erfüllt sein, damit ich mich in meinem Job wohlfühle?“ Wer darauf Antworten findet, kann schnell erkennen, ob er ins Top-Management möchte oder ob der beste Platz vielleicht an einer ganz anderen Stelle im Unternehmen ist.
Allerdings schauen sich viele Top-Führungskräfte mit dem Wunsch nach einem weiteren Schritt auf der Karriereleiter zuerst nach Angeboten in anderen Unternehmen um. Dabei ist es oft viel sinnvoller, seine neuen Vorstellungen im eigenen Unternehmen zu entwickeln. Denn dort stehen die Chancen für Wachstum und Entwicklung oft viel besser.
Der Sprung an die Spitze gelingt am besten mit einem Plan – und mit Unterstützung aus dem Netzwerk. Schon frühzeitig damit zu beginnen, sich ein strategisches Netzwerk aufzubauen, das einem an der ein oder anderen Stelle weiterhelfen kann, gehört daher für Führungskräfte zum kleinen Einmaleins des Erfolgs. Denn im Topmanagement kommt es zu 10 Prozent auf das Fachwissen, zu 30 Prozent auf das Auftreten und zu 60 Prozent auf Beziehungen an.
Coaching für den Weg an die Spitze
Gudrun Happich ist Executive Coach und Gründerin und Inhaberin von „Galileo. Institut für Human Excellence“ in Köln. Mit ihrem Unternehmen hat sie sich auf das Coaching von Leistungsträgern in den oberen Führungsebenen spezialisiert. Als Diplom-Biologin war sie zunächst selbst 12 Jahre Führungskraft in drei Wirtschaftsunternehmen, u.a. Mitglied der Geschäftsleitung. Anschließend absolvierte sie drei systemische Ausbildungen, seit 1994 ist sie als Coach tätig.
Ihr aktuelles Buch „Ärmel hoch! Die 20 schwierigsten Führungsthemen und wie Top-Führungskräfte sie anpacken“ ist im Frühjahr 2011 im Orell Füssli Verlag erschienen. Mehr Informationen gibt es unter www.galileo-institut.de.