Ulrich Grannemann – Kann man durch Abschaffung von Hierarchien erfolgreicher werden? Handelt es sich hier nur um einen sozialromantischen Traum und wie viel Führung braucht ein erfolgreiches Unternehmen?
Das Problem mit hierarchischen, auf einzelne Führungskräfte fokussierte Systeme ist, dass sie
– Entscheidungen langsam machen, weil alles über einen Tisch läuft
– Entscheidungen schlecht sind, weil sie weit weg vom eigentlichen Geschehen sind
– Entscheidungen einseitig sind, weil zu wenige oder die falschen daran beteiligt werden
Kein Wunder also, dass immer mehr Unternehmen von sich reden machten, indem sie durch Abschaffung von Hierarchien erfolgreicher wurden (siehe das Buch: Gernot Pflügers Erfolg ohne Chef, US-Unternehmen Morning Star). Handelt es sich hier um sozialromantische Träume oder insulare Experimente, die immer nur für bestimmte Rahmenbedingungen erfolgreich sind? Selbstorganisation oder laterale Führung wird in diesem Zusammenhang immer wieder erwähnt.
Schaut man genauer hin, wird allerdings nicht die Führung abgeschafft. Es wird weiterhin entschieden, gesteuert und koordiniert. Was abgeschafft wird, ist die Konzentration auf eine Person.
Führung wird zur Dienstleistung, Führung wird zur Funktion, die wiederum aus verschiedenen Unterfunktionen besteht.
Schafft nicht Führung ab, aber die Führungsebenen. Verteilt die Führung auf mehrere „Köpfe“!
Das heißt, alle Mitarbeiter übernehmen auch Führungsfunktionen. Am deutlichsten wird dies in Meetings. Eben noch hat der Chef einen Vorschlag abgenickt. beim nächsten Punkt übernimmt ein anderer die Moderation, ein Dritter hat die Vetorolle, der Chef wird zum Ratgeber und Mitarbeiter in dieser Aufgabe und wiederum andere informieren oder werden informiert. Bei der nächsten Aufgabe wechseln die Rollen je nach Verantwortungsverteilung wieder.
Das beste und schnellste System ist, in dem alle permanent ihre Rollen wechseln. Das heißt aber auch, dass die Führungskräfte immer wieder „Mitarbeiter“ ihrer Mitarbeiter sind. Der Invest für schnellere und bessere Entscheidungen ist nicht Kompliziertheit, aber doch Differenziertheit und stetiger Rollenwechsel.
Ich halte es nicht für ein Hexenwerk in diesen Regeln zu denken und Verantwortung zu dezentralisieren. Diese Form von Führung ist natürlich nicht geeignet für Dauer-Alphas oder Narzissten, aber auch nichts für Dauer-Unterverantwortliche.
Die K.I.E.- Regeln
Die wichtigste Fähigkeit ist der bewusste Umgang mit den Kommunikations-, Informations- und Entscheidungsregeln, die sich eben bei jeder Aufgabe oder jedem Projekt unterscheiden und deren einzelne Parts von verschiedenen Spielern ausgefüllt werden. (siehe auch: Die Schnittstelle)
Die Aufgabe ist der Chef
Der amerikanische Lebensmittelhersteller Morning Star hat das mittlere Management abgeschafft (Gary Hamel in Havard Business manager, 1/12). Strukturiert werden die Aufgaben durch so genannte CLOU´s (Colleague Letter of Understanding), in denen bis zu 30 Aufgaben stehen, die in jährlichen Gesprächen mit teilweise mehr als zehn Kollegen verhandelt werden, mit allen dazu gehörigen Leistungskennzahlen.
Delegierbare Führungsfunktionen
Führungsfunktion
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Inhalte
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Bemerkung
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Abnehmende Delegierbarkeit
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Organisation
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Einladungen, Terminierung, Rahmensetzung von
– Meetings
– Jourfix
– einzelnen Projekten
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MA holt sich die Infos vom Chef und anderen
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Moderation
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Moderation von Meetings
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Wer stellt die Arbeitsfragen, bestimmt die Länge der Phasen, unterbricht und führt Entscheidungen herbei?
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Projektverantwortung
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Aufgabenleitung, Projektleitung,
Projektcontrolling |
Wer treibt an? Wer weiß, wo der Ball liegt? Terminiert, mahnt an, holt Informationen und Entscheidungen ein. Wer hält alles nach?
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Entscheidungen
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Entscheidung zur Umsetzung,
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Wie weit muss sich der Chef in Detailumsetz-ungen einmischen. Je klarer die kritischen Leitlinien, umso größer die Entscheidungs-freiheiten der Mitarbeiter.
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Management-entscheidungen
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Budget, Strategie, Leitlinien
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Wer begrenzt das Budget nach Zeit und Geld?
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Rahmensetzung
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Regeln zu Kommunikation und Kooperation, Organisation der Prozesse
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Arbeit organisiert sich eben nicht von allein.
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Coaching
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Ausbildung, Fördern und Fordern der Mitarbeiter
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Personalentwicklung
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